[datering på grundlag af almanak]
Liebe Frau Serre
Herzlich Dank für Ihre freundschaftlichen letzten Briefe, die mir die frohe festliche Neuigkeit brachte, von der Verlobung Ihres vortrefflichen Pflegesohns. Sie wissen, daß alles was ihren lieben Kreis betrifft, ist von wahrer Interesse für mich. Bringen Sie an den Sohn und an die Schwiegertochter meinen Glückwunsch,ich freue mich darauf, daß ich ihnen diesen in ein paar Wochen selber mündlich bringen zu können. Gern hätte ich sofort geschrieben, beim Empfang Ihres Briefes,ich war aber zu dieser, Zeit und bin bis in die letzten Tage so überaus beschäftigt, nicht gerade mit Poesie und andere dichterische Tätigkeit, sonden mit Karneval, ja wir haben seit mehr als einem, Monat mehrere große Karnevalmaskeraden und dazu kommt ein solches Ball- und Gesellschaftsleben, und als ich diesen Winter mich stark genug gefühlt habe, Einladungen zu empfangen, habe ich das mitgemacht bis ich mich nun wieder einmal verdorben fühle und muß daran denken, aus der Stadt zu ziehen und Frühlingsluft atmen. Der Prinz von Hessen,der mit Prinzessin Anna von Preußen verheiratet ist, gab in seinem schönen Palais einen großen reichen Maskenball, es gab da zwei besonders schöne Quadrillen von Musketieren und köstliche Kostümen.-
Nachher gaben die jungen Künstler einen Karneval,nur für Herren, das war ausgelassen lustig, und hier hat sich ein Orchester ausgezeichnet, ein Orchester von der Arche Noah, d.h.ein großer Kreis von Tieren, die ein ganzes stück Musik gespielt haben, der Löwe führte sie an. Es gab ein sehr komischer Fisch, ein vorzüg licher Truthahn. Danach wurde zu Gunsten von armen Künstlern und Künstlerwitwen, ein Karneval im Casino gegeben, mehrere von den Professoren der Akademie waren im Komitee, und in diesem war ich - das wage ich zu sagen - einer der werksamsten. -Ich hatte alle dramatische Szenen und Lieder geschrieben als auch den größten Teil von Casinos schöne Pergola geordnet. Darin war ein großer Springbrunnen in einem Garten verwandelt, mit vier hohen Palmen, künstlich aber vorzüglich gemacht, die übrigen Decorationen waren lebende Blumen und grüne Pflanzen aus den königlichen Gärten, und die Fenster waren mit prächtigen Transparenten verborgen, deren Blumen vom Blumenmaler Jensen gemalt waren. - Prinzen und Prinzessinnen, alle Diplomaten waren da, und alle Treppen und Korridore waren festlich mit Teppichen bedeckt. Nun, vor wenigen Tagen, gaben auch die Studenten im Casino einen ähnlichen Karneval, zu Gunsten des neuen Studentenvereins, es gab da eine Menge von Abwechslung, Komödie, Tragedie, Ballet,alles ganz kurz und parodistisch, Aufzüge und Lieder und mehrere ... Masken bewegten sich im neuen großen Saal. An allen diesen Festlichkeiten habe ich teil genommen und darzwischen gab es Parties und Bälle. Alle ausländische Diplomaten und so viele reiche Privatleute haben sehr viele Festlichkeiten gegeben und haben Leben und Freude um sich geschaffen. Es ist mir fast zu viel geworden, und ich sehne mich auszufliegen, allerdings hält mich die Herausgabe meiner Gesammelten Schriften davon zurück, aber ... in 6 Wochen muß ich mich davon frei machen und als ich mich sehne ganz besonders, habe ich den Plan Mitte Mai über Dresden und Wien nach Venedig zu fliegen, von dort weiter nach München, in welcher Stadt ich meinen Freunden versprochen habe, etwa zwei Wochen zu bleiben. Der König von Bayern ist mir sehr gnädig (hat mir im letzten Jahr zweimal mit Briefen verehrt) und ich freue mich darauf, ihm meine Dankbarkeit auszusagen. Der Aufenthalt in Dresden hat als Absicht Sie und Ihren Mann zu besuchen, ich hoffe Sie ungefähr Mitte Mai in Maxen zu treffen, aber lassen Sie mir bitte voraus wissen, ob Sie für einige Tage mich beherbergen werden können, Ihrer Antwort gemäß wird die Reise über Dresden arrangiert. - Ich hoffe, daß mein Kiefer sich in Gedihen begrünt, ich freue mich darauf, mit Ihnen, liebe Frau, noch einmal den schönen Weg zu gehen, wo die Kirschbäume längs der Kornfelder wachsen og von wo aus man in die Sächsiche Schweiz sieht. - Die Zeit kommt mir ernst vor (und man muß die kurzen sonnigen Tage greifen), ich hoffe aber, daß wir Frieden und Ruhe hier und in den Nachbarländern behalten können; herzlich ist es auszufliegen, milde Augen und treue Freunde zu sehen.
Leben Sie wohl!
Ihr treu ergebener
H.C.Andersen