Dato: 6. oktober 1856
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

124 Andersen an Carl Alexander

Kopenhagen 6 October 1856.

Hoher und theurer Großherzog!

Endlich bin ich in der Heimath in den kleinen mit Blumen geschmückten Stuben, wo die Sonne noch den ganzen Tag hindurch ihre Strahlen hineinschickt; der Spätsommer ist warm und schön. Ich komme eben vom Lande. Ich hielt mich auf dem Rittergut Basnæs, beim großen Belt, lange auf, war aber beinahe immer unwohl, und meine neue Roman, der mich fast uberwältigt, zwingt mich doch zum Schreiben; wie eine reiche Quelle will er mit Macht herausbrechen und macht daß ich körperlich nicht gleich genesen kann; wenn aber der Baum der Dichtung grünt und gedeiht, dann werde ich die kleinere Leiden wohl ertragen können. Ich fühle mich froh über die vielen Beweise der Freundschaft die ich in der Heimath jetzt überall empfange, froh über die Anerkennung die ich mir auch hier erkämpft habe, und froher noch bei dem Anblick der / milden Augen die mir begegnen. Ich fand bei meiner Ankunft hier in Kopenhagen so viel Gemüthlichkeit, so viele frische Blumen, welche die Freundchaft mir geschenckt hatte; und mitten in dieser heiteren Umgebung strahlte eine Ueberraschung von der Ferne, von Ihnen, mein edler Fürst! Ihr Portrait haben Sie, Sie selbst, mir geschenkt; es war schon lange da gewesen, sagte man mir, und ich hatte keine Ahnung davon, weil die für mich bestimmten Packete in Kopenhagen blieben, wärend alle die Briefe nach meinem landlichen Aufenthalte geschickt werden.

Hätten Sie, Konigl: Hoheit, nur meine Freude gesehen, als ich das Portrait fand, hatten Sie nur bemerken können wie dankbar ich anerkannte, daß Sie so liebevoll meiner gedenkten und so schnell Ihr Versprechen erfullten! Das Portrait steht vor mir auf meinem Schreibtisch; es ist so ähnlich, es ist wirklich Sie - als Großherzog von Weimar; es ist aber nicht ganz das Bild, was ich von vielen glücklichen Stunden bei mir trage, mit dem liebevollen herzlichen Ausdrucke, und den klaren treuen Augen - hier sehe ich im Photographie-Bild nur das Ruhige und Stille, etwas Formelle, und doch bin ich (eingefügt: ich) unendlich glücklich in dem Besitze davon. / Wenn der Frühling kommt, hoffe ich Eur: Koniglichen Hoheit meine neue Romane (soll heißen: meinen neuen Roman) senden zu können, einen Abdruck meiner Individualitet auf derjenigen Stufe der Entwicklung, welche ich in der Zeit erreicht habe. Vielleicht ist es eine Illusion, aber ich betrachte dieses Buch als mein bestes; wenigstens ist es unter der sorgsamsten Behandlung und doch unter der Inspiration hervorgegangen.

Von Frankreich und England höre ich oft daß neue Ausgaben meiner Schriften erschienen sind und daß sie mit Interesse gelesen werden. Es ist eine sonderbares Gefühle, daß mir das Glück geworden, mit einem bekannten und angesehenen Nahmen aufzuwachsen. Glauben Sie mir, Konigl: Hoheit, ich fühle es in Demuth und Dankbarkeit gegen Gott, der mir gegeben, was so vielen Anderen vorenthalten wurde. -

Nach vieler Ueberlegung glaube ich für mein neues Buch einen bezeichnenden Namen gefunden zu haben, einen Namen, der den Inhalt characterisirt ohne ihn anzukündigen, nemlich: "At være og ikke at være",("Sein oder nicht sein") nach Hamlets bekannten Monolog. Ich hoffe mittelst dieser Dichtung von dem Reiche dieser Welt nach dem jener Welt eine Brücke geschlagen zu haben; / und Alles was in dem von Gott Geschaffene in mir und um mich für die Unsterblichkeit zeugt, hebt mit der Zuversicht der Religion seine Stimme für das: "ewig zu sein."

Will’s Gott kommt mein Buch in Mai und ich selbst hoffentlich kurz danach um meinen edlen Großherzog wieder zu sehen. Alle Freude und allen Segen über Sie und die Ihrigen, das wünscht Ihnen

Ihr. K. Hoheits, herzlich und innig treuer H.C. Andersen.

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen