Dato: 7. februar 1854
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

110 Andersen an Carl Alexander

Kopenhagen 7 Februar 1854.

Edler, theurer Großherzog! Bis jetzt habe ich in diesem Jahre keinen Brief nach dem lieben heimischen Weimar geschickt, aber in Gedanken bin ich da so oft und so lebendig, daß es mir wie die Wircklichkeit selbst vorkömmt. Für Ihre Gnade, treue Gesinnung - für Ihre Freundschaft, ja ich darf es wohl so nennen, hoher Herr, nehmen Sie meinen innigsten Dank.

Den Weihnachtsabend sollte ich wie früher bei dem Grafen Moltke-Bregentved zugebracht haben, wo Weihnachts-Baume, Bälle und Lustbarkeiten wechseln, aber ich blieb in der Stadt, es war ein großartiges Weihnachtsfest bei dem Landgrafen Wilhelm von Hessen. Es war Hochdesselben Geburtstag und auser einem Balle waren schöne Tableaux arangirt: z. B. "Die Weinachtsfreuden" nach Thorwaldsen in welchen die Prinzeßinn Anna von Heßen als einer der musicirende Engel, höchst anmuthig war; in einem andern Tableau, "lebende Blumen nach Granville" var sie eine reizender Vergißmeinnicht. In einem Genrebilde war die Prindzeßinn Louise eine schöne Amackerin und der Prinz Christian stellte einen / alten Amackerbauer vor. Zu diesen und mehreren wohlgeordneten Bildern hatte ich die Verse geschrieben und trug sie selbst vor.

Ich bin mit der hiesigen Gesammausgabe meiner Schriften sehr beschäftiget, und arbeite mitunter, in aller Stille an einer neuen Dichtung, die doch wohl erst in ein Paar Jahren erscheinen wird. Es hat mich erfreuet, daß ich bei Lucian (soll heißen: Julian) Schmidt, in dessen Deutschlands Literatur-Geschichte, einen guten Platz und freundliche Erwahnung gefunden.

In unserer Literatur ist die hervortretende Erscheinung eine ekelhafte Novelle: Minona,von einem jungen Fräulein geschrieben, eine unwahre und ungesunde Dichtung; es ist mir als ob ich eine starkriechende giftige, in meinen Händen schleimende Wasserpflanze genommen hätte. In diesem Buch tanzen die Weiber alle einen hysterischen St Veits Tanz; die Liebe des Bluts nicht der Seele ist es, was diese Bachantinnen aussingen. Von Hertz sahen wir so eben ein psychologisches Drama: ein Opfer; von Hauch ein Schauspiel: Die Vergeltung; drei originelle Opern von Lövenskiold, Glä(s)er und Rung werden, so wie auch ein neues Ballet: ‘Eine Volkssage’ in diesen Monate erwartet.

Wir fangen schon an den Frühling hier zu spüren, die Sonne scheint und erwärmt, und in mir wie in den Zugvögeln, erwacht die Reise-Sehnsucht. Wollte Gott, daß Friede und Ruhe überall sei - es ist so eine ernste Zeit - dann fliege ich nach Deutschland / und Tyrol; wenn Eur: Koniglich Hoheit in Weimar sind, wird dies natürlich ein Hauptpunct für mich seyn, ob ich auch nur ein Paar Tage da verweilen kann, um Ihnen meinen Glückswunsch zu bringen. Gott segne und erfreue Sie mein hoher edler Großherzog! und nun, leben Sie herzlich wohl, gesund und glücklich; möchte ich, in friedlichen sommerschönen Tagen Ihnen begegnen können.

Eur: Konigl: Hoheit wollen mich in der hohen Gemalin und der kaiserlichen Mutter gnädige Erinnerung bringen. Eure Konigl: Hoheit treu und danckbar ergebener H.C. Andersen

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen