Dato: 2. august 1857
Fra: Carolina, Lina von Eisendecher   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Frankfurt den 2 August 1857

In diesen Augenblick, lieber Andersen, beende ich Ihr Buch, daß ich schon vor mehreren Tagen bekam, und leider nicht gleich lesen konnte, da ich viele Besuche hatte; seit vorgestern bin ich aber wieder allein und da habe ich eigentlich das Buch nicht aus der Hand gelegt, es hat mich ungemein interessirt, viel herzlichen Dank für das hübsche Geschenk, und ganz besonderen Dank dem Verfaßer. In gewiß er Weise haben Sie wohl recht es Ihre beste Arbeit zu nennen, da Sie sich nirgend so wie hier an die tiefsten und wichtigsten Fragen des Lebens betheiligt, und wenn man auch allen Ihren Schriften anfühlt, daß es Ihnen mit dem Christenthum Ernst ist, so sind Sie noch nie in dieser Weise darauf eingegangen. Gefährlich kann ich das Buch nicht nennen, wo alles nur dazu dient, die einzige Wahrheit und Klarheit in desto helleres Licht zu bringen. Den Weg den Niels ging, ist wohl der der meisten jungen Leute heutzutage, und wohl wenige bewahren sich diesen weisen edlen Karakter dabei, und ganz wenige kehren so zurück. /

Meisterhaft ist das Heideleben in Jütland, der alte Pfarrer die Frau und namentlich die Tochter, das alles sind echte Perlen der Poesie. Die Zigeunerin mit dem schrecklichen Kinde ist eine unheimliche Gestalt, die mir eigentlich zum Ganzen nicht nöthig scheint, doch belebt sie in ihrer Weise die graue Heide, da doch eigentlich das Unheimliche nicht fehlen darf. Die einzelne Gestalten aus dem Kopenhagener Leben sind prächtig frisch und lebendig, so die Fm Lara und namentlich Madame Jenssen, für diese Sorte von Bürgerfrauen haben Sie nun einmal ein ganz spezielles Talent, und gerade in der großen Originalität dieser einzelnen Personen haben Sie viel mit Ihrem Freund Dickens gemein, mit ein Paar Zügen zeichnen Sie Beide einen ganzen Menschen, so daß er wunderbar lebendig vor uns tritt. Ich bin überzeugt dieses Buch wird Ihnen neue Freunde erwerben, und jedenfalls Ihre alten noch fester an Sie binden. Noch einmal viel herzlichen Dank dafür, lieber Andersen, ich bedaure sehr, daß ich Ihnen dies alles nicht mündlich sagen kann, denn tausend Fragen die ich thun mögte führen schriftlich zu weit, man will auch gleich eine Antwort haben. -

Jetzt sind Sie wohl noch bei Ihren Freunden de Serra, wenn, es dort auch so heiß ist, werden Sie froh sein, nicht reisen zu müssen, sondern im kühlen Zimmer diesen tropischen Sommer zu überdauern. Vor den September gehn Sie nicht nach Koppenhagen zurück, und dann ist's doch hoffentlich kühler. Dann denke auch ich zu reisen, aber freilig nicht so weit. Bitte machen Sie in Koppenhagen die Bekanntschaft meiner Cousine, der Madame Dubois, Frau des holländischen Gesandten, sie ist eine charmante gescheute Frau, die sich schon lange für Ihre Schriften lebhaft interessirt, sie hat 4 kleine Mädchen, welche gewiß auch mit ihren Märchen groß gezogen sind. -

Wie hübsch war es doch daß Sie neulig einen Tag hier waren, ich habe wirklich große Freude an Ihren Besuch gehabt, und danke Ihnen noch einmal so recht von Herzen dafür. Mein Mann kam am Donnerstag zurück, er schickt Ihnen die herzlichsten Grüße, und bedauert sehr Sie wieder nicht gesehn zu haben. Niemand läßt Sie aber dringender und heftiger grüßen wie meine kleine Christa, für die es nichts Herrlicheres in der Weltgiebt wie Andersen, täglich frägt sie ob das Märchen nun fertig sei, und ob Sie nicht wieder kommen. Sie sind es schon gewohnt die kleinen Herzen im Sturm zu erobern. Nun lieber Freund sage ich Ihnen Lebewohl, die Hitze macht eigentlig denk und schreibunfähig, und deshalb auch dumm, Sie werdens meinem Brief anmerken. Bitte geben Sie uns einmal wieder ein Lebenszeichen und behalten Sie uns Alle in freundlichem Andenken.

Mit alter treu er Freundschaft

Lina von Eisendecher.

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