Dato: 4. august 1827
Fra: Ludolph Schley   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Liebau d. 4/16 Aug. 1827

Wie sehr freut es mich mein lieber Andersen Ihrem letzten Briefe die Bestätigung meiner früheren Vermuthung zu finden, es werde eine Verän- derung Ihrer örtlichen Verhältnisse, das letzte Mittel gegen die duncklere Stimmung Ihres Gemüthes seyn. Der Jugend gehört die Freude, wie viel mehr gehört Sie dem jugendlichen Dichter, der durch die Ausgießungen seines Gefühls, sich und seine Welt bele- ben und erheitern und zugleich vorwärts ziehen soll. Schwermuth, Melancholie fördern nicht, das weiß ich aus Erfahrung. Mögen diese Lebensverbit- terer Ihnen daher ewig fremde bleiben, und fortan nur im Gefolge der Sünde oder der Reue erscheinen vor denen Sie die Allmacht be- wahre. Göthe sagt: des Lebens herrlichster Gewinn ist ein guter, leichter Sinn, und hat sehr recht, was würde aus uns werden, wenn jedes kleine Mißgeschick, jede geringe Unbequemlich uns mit uns selbst oder dem Leben entzweien könne? Freudig aufschauen in den Himmel über uns, und die Sterne hineinziehen in das Leben, das sollen wir Dichter, und es nicht gewahr werden daß der Fuß zuweilen flüchtig den Schlamm der Erde berühren muß, so lange wir auf der Erde sind, halten wir nur den Geist auf der Höhe / des Lebens, und singen dort aus froher, reiner Brust, was uns begeistert, erhebt und erfreut, so erhalten wir das uns gefallene Loos, und dürfen es preisen als ein recht beneidens- werthes

Ich lebe manchen Tag im Gedenken mit Ihnen in dem Kreise der ausgezeichnetesten Männer Danmarks, der Sie jetzt in Copenhagen umgiebt, und freue mich des Einflusses, den ihr geistreicher ausgebildeter Umgang auf Ihr leicht bewegtes, weiches Gemüth üben muß. Im Seelenreich wie dem Ihrigen drückt sich die nähere Außenwelt mit allen ihren Strahlenbrechungen am lebendigsten ab; Sie tragen gewöhnlich ganz deren Farbe; doppelt angenehm ist es mir daher Sie dort zu wissen, und es mir mit Sicherheit sagen zu können Sie fänden sich glücklich - Uebersehen sie aber, mein theurer Freund in dem Genusse der Gegenwart, wie lockend und an- ziehend es auch immer seyn mag, die Zukunft nicht, nicht die Bedürfnisse, nicht die Ansprüche welche letztere an Sie zu machen Berechtigt. Geizen Sie mit Ihren Augenblicken, und seien Sie im eigentlichsten Sinne für das Zukünftliche. der Welt verlangt mehr als Herz und Gefühl, sie verlangt That und Wissenschaft, und mit recht, denn für das was sie giebt, fordert sie Ersatz, den kann / nur Handeln oder Wissen leisten; Sie sind mehr für letzteres bestimmt; Lernen Sie Wissen; in Ihrem Kreise, bey Ihren Anregun- gen, bey Ihren Ermuthigungen, wie leicht muß das Erlernen werden, wie viel Ge- nuß selbst schon in dem Gefühle liegen es zu können, und durch Vorwärtsschreiten darin sich und allen den guten Menschen die für Sie sorgen und wirken eine Freude zu machen. Natürlich finde ich es daher auch, daß Sie es als eine Unmöglichkeit denken, im nächsten Examen durchzufallen, ich theile diese Erwartung ganz, und wie viele, lieber Andersen, wie viele mag es geben, die es mit mir thun.

Es ist mir nicht ganz recht, daß die Einsamkeit Sie traurig macht, und Ihr Glaube an die Menschen eine so eigene Richtung nimmt. Wenn ich auch zugebe daß in Ihren Jahren, das Herz sich am besten in den Kreisen der Geselligkeit und des Lebens gefällt, so darf ich doch nicht unterlassen, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß die Einsamkeit, die Mutter alles Vortrefflichen, und ohne sie, dieses nicht statt finden kann. Sey gerne einsam und stille, war schon der Wahlspruch unserer Alten, die sich zu sich selbst zurück- zuziehen pflegten, wenn ihr Geist mit erhabenen Ideen schwanger ging. Eine weise benutzte Einsam- keit / ist die eigentliche Wärterin unsres besseren Ich; der Ort an dem wir uns immer selbst wieder finden, wenn wir uns im Geräusche des Lebens verloren, aber hüten müssen wir uns, daß wir dem arbeitenden Geiste in dieser Einsamkeit nicht eine Richtung geben, der dem Schaffensvermögen wehrt statt es zu fördern; Dies geschieht aber, durch ein hinüberneigen zum Schwermüthigen, Weich- lichen, das zwar eine sehr verführerische Aussen seite, etwas hoechst ergreifendes, interessan- tes zeigt, auf die eigentliche Kraft zum Wirken und Handeln aber einen sehr schädlichen Einfluß übt, da es nicht allein den Geist abstumpft, sondern ihn auch auf Irrwege führt, von denen der Pfad zum rechten Wege nur durch große Einbußen und Opfer wieder zu gewinnen ist. Mehr wie diese Ungeselligkeit in Ihrer Einsamkeit, (entschuldigen Sie den ungewöhnlichen Ausdruck), befremdet mich wieder Ihr Zweifel an die Rechtlichkeit, an die Güte der Menschen. Hüten Sie sich, lieber Freund durch dieses Mißtrauen selbst eine größere Ungerechtigkeit gegen jene zu begehen, wie Sie ihnen gegen Sich zeigen können. Die Menschen haben große Ansprüche auf Ihre Erkenntlichkeit, seyn Sie nicht Undankbar / sondern in Ihrer Liebe gegen alle, zeigen Sie, daß Sie die Liebe einiger verdienten. Die Menschheit, Andersen ist immer gut und wird immer demjenigen Lauschen, der mit Vertrauen ihr entge- gen tritt. Es mag einzelne Ausnahmen geben aber diese Berechtigen uns nicht, anderes von der Gesammtheit zu denken, selbst dann nicht anders zu denken, wenn wir hundertemale uns ge- täuscht fanden, oder unsre Liebe, unsre Anhänglichkeit Unwürdigen schenkten, die Menschheit ist unsrer ??? immer werth, so werth, daß wir gerade dann mit verdoppelter Zuneigung ihre einzelnen Glieder aufsuchen müssen wenn wir uns verletzt, betrogen oder ge- täuscht von anderen fanden. Ich will darum hoffen, Ihr Ausdruck, „daß Sie irre würden“ war ein augen- blicklicher Unmuth, hereingebracht durch irgend eine verletzte Empfindung, die bey der Biegsamkeit Ihres Gefühls vielleicht Verletzung in etwas fand, was nicht einmal verletzen sollte.

Die nähere Beschreibung Ihres jetzigen Auf fenthaltes entzückt mich sehr, ich brächte gerne in ihrer Himmelsregion ein paar Stunden über den Köpfen der andern Königstädter mit Ihnen zu, und freute mich ihres Schaffens und Treibens Ihres Umganges wegen möchte ich Sie erst Beneiden. Auch ich habe in Stockholm und Upsala eine Zeit meines Lebens mit den ausgezeichnetesten Männern / zugebracht, ich weiß daher wie viel Ge- nuß darin liegt Ihnen nahe zu stehn und von Ihnen geliebt zu werden. Daß Sie die Folgen dieses Umganges von der Zunahme innerer Bedeutung an Ihrem ausgebildeteren Äußern wahrnehmen finde ich verständlich; Reibung giebt Flammen und Flammen läutern; ich kenne keinen innigeren Wunsch, als daß der Himmel sie recht lange in dem Kreise mit Wulfs, Collins und Orsteds lasse.

Tausend Dank für Ihre mitgetheilten litterarischen Neuigkeiten aus dem Norden, sie sind mir sehr interessant, und bitten muß ich daher, daß ich in jedem Ihrer Briefe eine kleine Fortsetzung empfange. Die Oelenschlägerschen Währinger reizen meine Neugierde sehr, ich möchte sie gerne lesen, bin aber noch nicht in ihren Besitz gekommen Aus Ihrem Briefe verstehe ich nicht recht ob Sie das Buch für mich gekauft haben u. ist dem so, so sagen Sie mir doch wer es zur Beförde- rung bekam, und auf welche Art ich Ihnen Ihre Auslage ersetzen kann?

Dank für das letzte gesendete Gedicht; Sie haben von Andern darüber ein reiferes Urtheil gehört, was Sie von mir erwarten können, ich halte meines daher zurück. Daß es mir recht vielen Genuß gewährte, mag ich / aber nicht verhehlen, eben so wenig wie den Wunsch, daß es Ihnen gefallen möge, mir zuweilen die ferneren Producte Ihres Geistes mitzutheilen. Die schwedische und deutsche Übersetzung des „sterbenden Kindes“ folgt beygehend. Möchte sie Ihnen gefallen. Die letztere ist wie Sie sehen in ein hiesiges Blatt abgedruckt, es erfreut Sie gewiss zu erfahren, daß sie sich Beifall erwarb. Ich habe übrigens nichts dagegen, daß Sie diese Kleinigkeiten mittheilen, wenn Sie wollen. Ich arbeite jetzt recht fleißig an einer Bearbei- tung der Frithiof-Sagen, die meinem Plane nach in sechs Gesängen regelrechter Octavreime an das Licht treten sollen; Die Titel werden. Sigurd der Schlangentödter. Sigurd und Brynhildar, Ginke; Sigurds Tod. - Der Fall der Gjakanger und Gudrunas Rache; Meine erste Meynung war den 5. Gesang, als ein für sich bestehendes Ganzes zu behandeln; während der Arbeit aber entstand die spätere Idee; die, wenn nicht zu viel Hindernisse einfallen, nächsten Ostern in das Licht kommen. Daß mein Frithiof Beyfall gefunden, haben Sie wohl gerne aus den öffentlichen Blättern gesehen.

Ich habe während der letzten Zeit manche angenehme Familienbekanntschaft gewonnen, und mehrere recht genußreiche Ausflüchte auf das Land gemacht; Ist nun erst die erstarrende Sand- wüste / unserer näheren Umgebung zurückgelegt, so brei- tet sich das Land in anmuthiger Mannigfaltigkeit aus; Mit unserm Norden darf sich aber das Land eben so wenig messen wie die Menschen. Beyde stehen weit hinter jenen zurück; ich habe Gele- genheit gehabt es zu bemerken, vorzüglich mit dem anfange der hiesigen Badezeit, die- stets eine große Menge des kurischen und polnischen Adels hierherzieht, für deren Belusigung von seiten der Stadt wöchentliche Bälle gegeben werden. Man hat mir die Ehre ange- than mich zu einem der Directoren zu machen und mir dadurch ein gar nicht geringes Ge schäft aufgeboten; ich konnte es nicht gut abschlagen und nahm es deshalb an, habe aber nicht geglaubt daß ein solcher Unterschied in der Art sich zu freuen stattfinden könnte, wie hier und in unserem lieben Norden. Der Küsten- geist, vorzüglich der des kurischen Adels, geht über allle Begriffe, und giebt täglich Veran- lassung zu Streitigkeiten und Sauferey. Nun nächstens mehr; schreiben Sie mir bald; Ihre Briefe machen mir viele Freude, eben so viel wie in Elseneur Ihre Besuche. Bleiben Sie daher nicht lange aus! - Meine Gedanken begleiten diese Lienien bis in Ihre Hand, mein Geist ist jedes mal bey Ihnen, wenn ich den ??? und das geschieht täglich!

Gott sey mit Ihnen!

Ludolph Schley

Tekst fra: Markus Wagner (KB affoto 5687-94)