Dato: 9. august 1857
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

126 Andersen an Carl Alexander

Maxen bei Dresden den 9 August 1857.

Mein edler, theurer Großherzog!

Lange, lange habe ich keinen Brief an Eure Konigliche Hoheit geschrieben, aber ich wußte und weiß Sie sind mir doch immer gut und gnädig geblieben. Warum ich nicht geschrieben habe liegt aufgeschlagen in dem neuen Buche: "Sein oder nicht sein", welches ich schon vor einige Zeit Eurer Konigl: Hoheit, aus Leipzig zugesendet habe. Keine von meinem Schriften hat so wie dieses, so viele Vorstudien verlangt, ich habe in diesem Buche gelebt, diesen niedergeschrieben, wieder und wieder aufs neue geschrieben. Wenn einmal Eur: Konigl: Hoheit Zeit dazu verwenden wollen es kennen zu lernen, werden Sie es, vielleicht, für mein bestes, ammeisten durchdachtes Werk erkennen und zufrieden mit dem Dichter sein, verstehen und vergeben, daß ich nicht meiner immer treu gebliebene Gedanken und Anhänglichkeit an Sie, innig geliebter hoher Herr, sichtbar auf das Papier gebracht habe.

Wie in dem Mährchen : "Die Nachtigal," dieser immer fort vom Schloß fliegt, aber nach längeren herum Schweben, immer zurückkehrt und singt vom Herzen für seine Kaiser, so auch komme ich nach der heimathliche Weimar, und ich weiß, werde nie verscheucht durch ein verwerfenden Blick.

Da ich meine Buch beendiget hatte, es war im Mitte Mai, war ich von meiner edlen Königinn, die Witwe Christian der VIII, nach ihren Sommerschloß eingeladen, verweilte da mehrere Tage, sah die Buchen ihre Knospen sich in Blätter-Fülle / ausfalte, und ich laß mein neues Buch vor; ich sah Thränen im Augen der Königinn, ihr Dank war so innig, so gefühlt; es war die erste Freude, welche mir meine Buch brachte.

Den letzten Mai ging ich aus Dänemark, Charles Dickens hatte mich schon mehr mals eingeladen, nach England zu kommen; zehn Jahren waren schon vergangen seit ich dort war, und Euren Koniglichen Hoheit und Gemahlinn da begegnete; dieses Jahr war Dickens Einladung noch dringender und inniger; er hatte eben ein hübsches Haus auf dem Lande in Nord-Kent gekauft, schrieb er, da sollte wir Wochen lang zusammen leben, er hatte eben auch sein neustes Werk: Klein Dorrit beendigt. Ich fuhr nach England, wurde da so warm und herzlich empfangen, und blieb fünf Wochen im Hause bei dem Freunde und Dichter. Es ist ein schönes Landhaus, er hat, bei Gadshill, eine Stelle welche Shak(e)speare durch Heinrich IV, und Falstaf berühmt gemacht hat; die alte Landstraße von Dower nach London geht dicht vorbei; vom Hügel herab erblickt man das Meer, Rochester, und meilen weit die Thamse, die schlangenartig sich krumt mit ihren tausenden Schiffen. Es war eine Duft umher, von wilden Rosen, Kaprifolien und Flieder; auf die Wiesen standen Heu in Schobern, und innerhalb des Hauses war ein schönes Familie-Leben. Dickens ist 45 Jahre, heiter, liebenswürdig, edel und gut! Wie hoch ich ihm auch stelle als Dichter, ich muß ihm eben so hoch schätzen als Schauspieler im Tragischen so auch in der Farze; Eurer Konigl: Hoheit haben wohl in die Zeitungen neuerlich gelesen von der Privatvorstellung er gab für die Koniginn; die ganze konigliche Familie und der Konig von Belgien waren da, und mit diesen kaum mehr als 40 Personen, die Dickens, mit der Koniginns Erlaubnis, eingeladen, ich war Einer von diesen. Der Herzog von Sommerset (?) hatte seinen Gartner dahin geschickt und praktvoll alle Gänge mit seltenen Blumen schmücken lassen, es war festlich schön anzusehen. Mit Dickens bin ich mehr mals nach London gefahren, wir uber/nachteten dann in seinem reichen Hause, besuchte von da aus das Interessanteste was die Zeit darbot: Ich hörte im Glaspalaze Händels "Messias" von 2000 Menschen ausgeführt, ich sah die Ristori als "Kamma", und zweimal als Lady Machbeth, nur in dieser letzten Rolle hat sie mich hingerißen; ihre Mimik scheint mir mehr dem Ballet als dem Drama anzuhören; der Uebergang vom Haß zur Liebe ist schnell wie eine Verwandlung; ich sah "the tempest" mit wahren Zauber von Sceneri, aber, leider Shakspeare verschwandt im Augenlust, man vergaß der Dichter durch die wundervollen Decorationen und kam zuhause leer wie nach Beschauung eines Panoramas.

Ueber Folkestone kam ich nach Frankreich; dieses Land hat mich nie recht angesprochen und noch weniger jetzt da ich aus einer Heimath kam wie Dickens. Paris scheinte mir wie ein Bienenkorb ohne Honnig; ich verweilte nur drei Tage da und eilte nach Deutschland. Eben wie ich kam nach Eisenach, wo Sie mein hoher, theurer Großherzog in Wilhelmsthal waren, erfuhr ich daß der Keiser von Rusland grade derselben Morgen zum Bezug angekommen, bei Euren Konigl: Hoheit, - ich ging dann gleich weiter nach Dresden und denselben Tage noch mit der Familie Serre nach Schlesien zur Besuch bei dem berühmten Pjanist Henselt, aber aus Leipzig sandte ich erst mein neues Buch als des Dichters Vesitenkarte ins konigliche Haus, einen Strauß für Sie, mein hoher edler Herr!

Die Frau Majorin Serre hat mir von ihrem schönen Begegnen auf dem Dampfschiffe mit Eur: Konigl. Hoheit erzählt, und trägt mir auf ihren Dank auzusprachen für den so huldvollen Brief mit welchem E. K. Hoheit sie so unendlich begluckt haben. Die Frau Majorin und der Hr Major sind liebe Leute, sie thuen Alles für mich hier im Maxen, wie schön ist doch die Welt, wie gut sind die Menschen!

Aber jetzt muß ich fort, muß wieder nach der Heimath! / ich bin schon gar zu lange fort gewesen, aber durch Wort und Schreiben bin ich mit voller Seele erst bei Ihnen! und wenn E. K. Hoheit einmal "Sein oder nicht sein" gelesen haben, erhalte ich im Kopenhagen einige Worte.

Den dritten September bin ich, in Gedanken, auch in Weimar, wenn das Monument entschleiert wird, ich höre der Gesang durch die Raumen Wartburgs und ich denke an Carl Alexander! persöhnlich da zu sein war noch schöner, aber dem muß ich entzagen, das konigliche dänische Theater fängt seiner Vorstellungen an den ersten September, ich habe da Geschäfte ich muß unbedingt dort sein! Alle Jahren nach Weimar zu kommen, - ich war voriges Jahr, die Jahre vorher, - könnte auch leicht bewirken daß man müde von mir werden würde, ganz gut ist’s daher, genöthigt zu sein, nicht zu zudränglich zu werden.

Lebewohl! - Aus Norden komt die Brieftaube wieder nach dem lieben Weimar. Gott segne und freue Euch, Eurer Konigliche Hoheit. Glück im Hause und im Lande. E. K. Hoheits innig, treu ergebener H.C. Andersen

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen