Dato: Oktober 1852
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Olivier von Beaulieu-Marconnay
Sprog: dansk, tysk.

Kopenhagen, Herbst 1852

Liebster Freund!

Ich kam nicht nach Kreuznach und das verdrießt mich jetzt; aber ich hatte in Italien und in der Schweitz unglaublich von der Hitze zu leiden. ich erreichte Frankfurt und wollte Ihnen von dort aus meinen Besuch machen, aber etwas Zufälliges afficirte mich und ar, daß mein Reisekamerad ohne irgend welchen Aufenthaltnach Hausen zu reisen wünschte. Daher kam es, daß ich pfeilschnell heimkehrte und einige Tage in Kopenhagen blieb. Die letzten Tage habe ich jetzt auf der Insel Falster Zugebracht, wo ich täglich in der Ostsee bade. Die Luft ist kalt genug, zu kalt; Vogelbeeren, Aster und Georginen verkünden, daß der Sommer zu Ende geht, doch für mich ist dieser reich und herrlich gewesen. Tausend Dank für die heimischen Tage, die ich bei Ihnen in dem lieben Weimar genossen! Bringen Sie meinen Gruß und Dank Ihrer liebenswürdigen Frau und den Freunden und Freundinnen, die ich in Ihrer Umgebung habe. Gott mag wissen, wann wir uns wiedersehen! Mit dem Laubfall des Herbstes bekomme ich stets Laubfall-Ideen; es ist mir immer, als ob alle Theuren draußen nun auch abfallen würden, als ob die jüngste Begegnung auch die letzte sei. Ich habe ähnliche Gefühle mit Rücksicht auf Italien; es ist mir, als ob ich demselben für immer Lebewohl gesagt hätte, als ob ich nie mehr nach meinem "Improvisatorlande" käme.

Seit fünf Jahren bin ich nicht in Weimar gewesen, seit fünf ernsten schweren Jahren, aus welchen noch immer Wogengänge selbst durch die Herzen gehen! Wann sehe ich Weimar wieder? - Geben Sie mir einen Platz in Ihrem Herzen und wåurde mein "Fliederbusch" Wurzeln auf Weimars Bühne schlagen oder richtiger vielleicht: als Blume in das dortige Repertoire zur Erinnerung an mich gelegt werden; selbst wenn die Blume dort verwelkt, dann lassen Sie mich davon hören. Dr. Liszt hat von Hartmann einige vortreffliche Musicknummern erhalten; ob diese draußen ertönen werden? Es liegen Herzschläge und Gedanken in diesen Melodien! "Klein-Kirsten" ist am eigenthümlichsten nordisch, aber "der Rabe" ist wohl diejenige Oper, die am besten verstanden werden dürfte. - Und nun leben Sie wohl! Grüßen Sie Frau und Kinder, wenn sich die Kleinen noch erinnern können

Ihres ergebenen

H. C. Andersen

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