Dato: 25. januar 1844
Fra: Carolina, Lina von Eisendecher   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Oldenburg den 25 Januar 1844

Ihr lieber Brief, bester Freund, liegt vor mir. Da fällt mein er- . ster Blick aUf die Worte: »schreiben Sie recht bald«, und doch sind nun fast drei Monate seit seinem Empfang verstrichen, da müßte ich mich nun wohl entschuldigen wegen des langen Schweigens, doch nein das ist bei Ihnen nicht nöthig, Sie wissen welch festes Plätzchen Sie in unserm Herzen haben, hätte' ich gekonnt, wäre dieser Brief längst geschrieben. Der heilige Christ hat uns ein Töchterchen bescheert, und da war ich nun. noch so angegriffen daß der Artz das schreiben nicht erlauben wollte, jetzt ist aber alles glücklich überstanden, und ich bin wieder gesund wie früher.

Doch nun vor allen andern muß ich Ihnen so recht aus voller Seele danken für Ihren lieben herrlichen Brief, ob Sie schlecht oder gut deutsch schreiben das ist mir ganz gleich, Ihr Dichterherzguckt doch aus jeden Wort hervor, und wissen Sie das grade dieser Brief mich mehr wie jeder frühere freut? Er enthält eine Episode aus Ihrem Leben, die an und für sich wohl in einen Männerleben nichts Bedeutendes ist, die aber bei Ihnen bedeutsam wird durch Ihre Wirkung. Sie schreiben Märchen wenn Sie glücklich, Sie schreiben dann gewiß noch mehr wie sonst mit dem Herzen, und daß ist es ja auch was Ihre Schriften so vor tausenden auszeichnet, Sie brauchen, wenn Sie schreiben nicht Glück und Leid zu machen, sondern Sie empfinden das wirklich selbst. /

Wedderkopp hat mir viel von der Jenny Lind erzählen müßen, er ist begeistert von ihr, aber sie soll nicht schön sein, doch bezaubernd durch Anmuth und Grazie. Warum ist sie versprochen! Grade Sie müssen ein Liebesleben finden. Sie müßten die Poesie Ihres Innern in das wirkliche wahre Leben bringen. Es ist übrigens mit dem heirathen der Dichter etwas sonderbares, finden sie im Liebesleben Alles was ihre Phantasie geträumt und geahnt, so leidet ihre Produktionskraft als Dichter, um das Leben nach allen Richtungen zu edaßen, daß der Dichter sich nicht gar zu glücklich fühlen, glauben Sie nicht auch. Was soll man nun wünschen, Glück für Sie, oder Bücher für uns? Mir bleiben Sie stets was Sie sind, und deshalb wünsche ich aus voller Seele alles Glück für Sie (nur einige Briefe müssen für mich dabei sein) aber was sagt die Welt? /

Von den neuen Märchen ist nun noch keins bis zu mir gelangt. »Das häsliche Entejunge« was Sie nach Hamburg geschickt ist wohl nicht z-u Weihnachten erschienen, da ich vergeblich eine Ankündigung gesucht. Könnte ich nur Dänisch,habe ich einmal Gelegenheit werde ich es lernen, wenn auch nur so viel um es lesen zu können. Tief poetisch und schön scheint: »Der Spiegel des Teufels«, schreiben Sie wenn es im Deutschen heraus kommt, ich muß es bald haben. Das Buch wovon Sie schreiben: Naomi und Christian, habe ich noch nicht gesehn. Gustav Nieritz schreibt so viel ich weiß nur sehr unbedeutende Sachen für Kinder, wie ich höre hat er sich schon oft das Recht genommen, größere bekannte Romane auf solche Weise für Kinder zu bearbeiten, ich sprach neulig da von, mit Kobbe, er meint es sei kaum nöthig etwas darüber zu schreiben, da jeder sogleich Ihren Namen darin erkennen würde, auch ohne das der Verfaßer Sie nennt. Kobbe ist viel krank, man sieht ihn wenig, ich glaube er fühlt sich sehr unglücklich, wohl mehr wie dem Dichter zur Poesie nöthig ist. Es ist schade um ihn, da er offenbar ein sehr begabter Mensch ist. /

Wedderkopp ist jetzt sehr beschäftigt mit seiner schwedischen Reise, der erste Theil ist schon erschienen, und der zweite unter der Presse, er hat viel Mühe damit gehabt, da er sehr viele schwedische Volkslieder ins Deutsch übertragen. Er las mir das Manuskript vor, und leider muß ich sagen ich glaube nicht das es viel Beifall finden wird; Wedderkopp stellt Schweden zu hoch, es ist das einzige Land was er kennt, dazu sein Vaterland, aber er kann keine Vergleiche machen, wer mehr von der Welt gesehn muß seine Beschreibung übertrieben finden, und dazu erkennt man den Enthusiasten in jeder Zeile. Der Styl ist gut aber durchaus nicht brillant, und die Ansprüche daran sind in Deutschland jetzt sehr groß, da wirklich viel darin geleistet wird. Es kann mir unbeschreiblich leid thun wenn ein Schriftsteller sein Werk so lieb hat, wenn er so seine ganze Seele hinein gelegt, und muß es dann in kalte rauhe Welt hinaus schicken, es lieblosen Kritikern überlassen. Ich kenne Wedderkopp, und dann muß man ihn lieb haben, und sich insofern auch für alles was er leistet interessiren, aber was weiß die Welt von ihm, sie beurtheilt im Buch nur das Buch nicht aber den Menschen. Mit Ihren Märchen ist er beschäf, tigt, aber sie sind noch nicht so vollendet um sie uns vorlesen zu können. /

Einer unsern näheren Bekannten, den Sie hier damals viel sahen, ein Herr von Gall hat jetzt ein Buch über Paris geschrieben, Paris und seine Salons im Jahre 1836, wenn es Sie interessirt schicke ich Ihnen dies so wie auch das Buch von Wedderkopp so wie es erschienen. Von ersteren verspreche ich mir mehr, (ich lernte es im Manuskript kennen) es ist gewandt geschrieben, und der Verfaßer hatte während seines 6monathlichen Aufenthaltes in Paris viel Gelegenheit das Salon und Hofleben dort genau kennen zu lernen. Es wird zwar entsetzlich viel über Paris geschrieben, aber jeder faßt doch die große Weltstadt verschieden auf, und in so fern ist auch alles darüber gesagte interessant, da der Gegenstand jede Auffaßung zuläßt. In diesen Tagen las ich auch Rellstabs Buch über Paris, er erwähnt Ihre Bekanntschaft darin, aber was sagen Sie zu Rellstab, ich denke Sie könnten sich nicht von ihm verstanden gefühlt haben, nach seinen Büchern ist er eine kalte zersetzende Natur, das paßt nicht für Sie. /

Von allen den dänischen Neuigkeiten ist noch nichts nach Deutschland gekommen, doch denke ich der Roman von Hauch und die Novellen von Winter werden jedenfalls übersetzt. Die Compositionen zu Ihren Liedern müssen Sie mir schicken, ich singe sie dänisch, Jerndorff muß sie mich lehren und auch übersetzen. Die dänische Musik hat etwas so eigenthümliches, mir liegt noch immer Ihr Begräbniß Gesang für den König Friedrich im Kopf. Wie weit ist denn das Ahasver? Kennen Sie die poetische Bearbeitung dieses Gegenstandes von dem deutschen Dichter Julius Mosen? Es würde Sie gewiß interessiren, wenn Sie es nicht kennen kann ich es schicken. Julius Mosen lebte bis jetzt in Dresden, er ist aber hierher berufen um die spezielle Leitung des Dramas auf der hiesigen Bühne zu übernehmen, er hat schon ziemlig viel geschrieben, 2 Bände Gedichte, dann einen recht bedeutenden Roman »Der Congreß von Verona« und auch verschiedene Dramen, worunter eins »Der Sohn des Fürsten« wirklich ausgezeichnet, es ist aus der Preußischen Geschichte, die tragische Episode aus dem Jugendleben Friedrichs des II die Enthauptung seines Freundes Katte.

Ich lernte Mosen kennen, er schrieb mir erst einen recht interessanten Brief, und dann war er hier um den Großherzog kennen zu lernen; Mosen ist ein prächtiger Mensch, ganz ein deutsches Dichtergemüth, Sie müssen ihn kennen lernen, Sie werden ihn gewiß lieb gewinnen, eben so wie Sie ihn schon jetzt im höchsten Grade interessiren, er kennt alle Ihre Sachen, und ihm geht es wie mir, sein Lieblingsbuch ist: »nur ein Geiger«. Auch Gutzkow den Sie ja kennen hat ein neu es Drama geschrieben, welches viel Glück macht, »2öpf und Schwerdt«. Wäre doch nur eines von Ihren Sachen für die Bühne übersetzt, ich sähe gar zu gerne mal eins, schicken Sie mir gelegentlich mal: Vöglein im Birnbaum, ich will schon für die Uebersetzung sorgen, und dann soll es hier gegeben werden. /

Ihre kleine poetische Gabe in dem Tiedge Album ist allerliebst, die Uebersetzung scheint mir recht gut, bis auf das eine was Sie auch selbst rügen. Aber wie dumm daß man nicht einmal Ihren Namen und Ihr Vaterland richtig angegeben. Wenn der Ahasver beendigt so schreiben Sie auch mal wieder einen Roman nicht wahr? ich habe eine wahre Sehnsucht danach. Noch immer habe ich keine Anzeige von der Gesamtausgabe Ihrer Werke gelesen, warum dauert das denn so lange? -

Von Ihren hiesigen Freunden soll ich von Allen die schönsten Grüße sagen. Jerndorf ist sehr fleißig im portraitiren, ich mahnte ihn an die versprochene Zeichnung, er sagte er habe versprochen vor Jahresfrist, und vor Mai sollten Sie sie auch haben. Mayer hat vaterländische Gedichte herausgegeben, ganz hübsch aber nicht bedeutend. Ein ander Herr den sie hier auch oft gesehn, ein Herr von Beaulieu ist leider von hier fort, indem er Dienste in Weimar genommen, scheidend, trug er mir noch die allerherzlichsten Grüße für Sie auf, und die dringende Bitte wenn Sie einmal nach Weimar kämen sich seiner zu erinnern. Aber zuerst kommen Sie jetzt zu uns, ich rechne fest auf einen Besuch im Sommer, mein Mann sagt Ihnen dasselbe, bitte bitte täuschen Sie unser Hoffnungen nicht. Mein kleiner Junge fragte neulig auch als er Ihr Bild ansah, wann denn der liebe Herr wieder käme. /

Doch nun zum Schluß, mein Brief ist recht confus, Sie müs sen das entschuldigen, ich habe so lange nicht geschrieben daß es mir ganz ungewohnt. Alles mögliche Herzliche und Liebes soll ich Ihnen von meinem Mann sagen, er freut sich mit mir über Ihre lieben interessanten Briefe, schreiben Sie recht bald. Sie machen uns eine gar so große Freude! Nun Leben Sie wohl lieber lieber Freund!

Mit aufrichtigen Herzen Ihre

Lina von Eisendecher.

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