Dato: 8. april 1843
Fra: Carolina, Lina von Eisendecher   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

[Oldenburg, 8.4.1843]

Welch eine große Freude Sie mir durch Ihren Brief gemacht haben, kann ich garnicht sagen; ich wagte kaum darauf zu hoffen, da ich ja nicht wußte ob Sie der deutschen Sprache so mächtig wären, um sich schriftlich darin auszudrücken; meine freudige U eberraschung beim Anblick Ihres Briefes war nun so viel größer! Ich hätte Ihnen gleich dafür danken mögen, aber in Paris ist Ihre Zeit kostbar, ich darf sie Ihnen nicht zu oft rauben. Doch jetzt konnte ich nicht länger warten, Sie schreiben mir ja auch so schön wie mein erster Brief Sie gefreut, daß ich auch diesmal nicht fürchte Sie zu ermüden. -

Wie schlimm ist es doch daß ich kein Dänisch verstehe, früher wollte ich es lernen nur um Ihre Bücher nicht in der Uebersetzung lesen zu brauchen, aber da kam ich hierher, und grade für die dänische Sprache findet sich hier kein Lehrer. - Wenn nun übrigens auch das Deutsche Ihnen nicht so ganz geläufig, ich hätte Sie doch ganz aus Ihrem Brief erkannt, grade so und nicht anders mußten Sie antworten. Es ist sonderbar wie ich Ihren Brief noch unerbrochen in der Hand hielt, beschlich mich ein ganz ängstliches Gefühl Sie mögten meinen Brief vielleicht mißverstanden haben, Sie mögten ihn als etwas Ihnen täglich zu Theil werdendes hinnehmen, und auch in diesen Sinn darauf antworten; ich wagte nicht ihn zu öffnen; mein Mann neckte mich mit meiner Zaghaftigkeit, und sagte mir, wie ich ja so fest der Ueberzeugung sei, Sie durchaus zu kennen - - und ich hatte mich ja auch nicht getäuscht, denn nur so konnten Sie schreiben. Ich bin ganz stolz auf Ihren Brief; die ersten Tage hatte ich ihn immer neben mir liegen, um mich zu überzeugen daß das ganze keine Täuschung sei. Seit der Zeit daß ich Sie kenne hat es mir wie etwas Unerreichbares vorgeschwebt Sie zu sehn, oder doch in einer schriftlichen Beziehung mit Ihnen zu stehn, und nun mit einmal ist dieser große Wunsch in Erfüllung gegangen! Es ist mir wie ein Traum, und doch überzeugt Ihr Brief, der eben jetzt vor mir liegt, mich von der Wirklichkeit.

Anerkennung macht Sie weich und demüthig, sagen Sie, Ihre Schriften sind Sie selbst, Sie geben der Welt das beste was Sie haben, Ihr Innerstes! Wird es nun erkannt, völlig verstanden, dann erstaunen Sie über Ihren eignen Reichthum, und wagen nicht ihn zu glauben, da Sie sich noch so vieler Mängel bewußt sind, wie das ja jeder edle Mensch sein muß. Versagt man Ihnen aber Anerkennung, tadelt man Sie wohl gar, oder kurz ausgedrückt versteht man Sie nicht, dann werden Sie stolz denn dann fühlen Sie die hohe Weise des Dichters der begabten reichen Seele, die nicht vernichtet werden kann. Uns Allen ist Unsterblichkeit verheißen, doch wem ist sie gewiß er wie dem Dichter, dem Lieblingskinde der Schöpfung. Der größte Theil der Schriftsteller, wird gewiß durch Anerkennung in seiner Produktivität gehindert, er hält sich für fertig, für vollkommen. Da hat das Lob eine zerstörende Wirkung, es erschlafft die Seele anstatt sie zu erstarken. Aber bei solchen Naturen wie die Ihrige ist das allders, da ist Anerkennung der segnende Thautropfen, der uns jeden Morgen die Blume im neuen Glanz zeigt, und frische Triebe hervorlockt. Mögte Ihnen doch auch mein Brief als ein solches Tröpfchen erscheinen! Es fallen Ihnen wohl viele dergleichen zu; aber jede Perle die uns Morgens von Blatt und Blume entgegen blinkt hat ihre eigne belebende Kraft, so hat auch jedes Lob eine Individualität.

Daß wir Sie nun auf Ihrer Rückreise nicht sehn werden ist recht betrübt; doch sprechen Sie so zuversichtlich die Hoffnung aus bald wieder auf Reisen zu gehn, und dann auch hierher zu kommen, daß wir daran glauben wollen. Es ist sonderbar, aber seitdem ich Ihnen geschrieben, habe ich. die feste Ueberzeugung daß wir uns noch mal persönlich kennen lernen werden, der Zufall wenigstens wird es doch nun nicht wieder verhindern, denn ich hoffe Ihre Pläne und Entwürfe werden mir fortan nicht mehr so ganz unbekannt sein.

Doch nun auch zu dem was mich in den letzten Wochen am meisten beschäfttigt hat, zu Ihrem neu esten Werk, des Dichters Bazar; ich hatte es schon drei Tage vorher ehe ich Ihren Brief bekam, dies verdankte ich einer besonderen Aufmerksamkeit meines lieben Mannes, der nach Leipzig geschrieben, das Buch doch so wie es erschienen ihm zu senden. Obgleich ich es nun schon besitze, nehme ich Sie doch beim Wort, daß Sie es mir schicken wollen, denn von Ihnen kommend hat es noch eine ganz besondere Weihe für mich.-

Wenn ich Ihnen sage, wie ich Sie in jeder Zeile erkannt, so werden Sie fühlen wie es mich erfreut. Sie halten das Buch für Ihre beste Arbeit, und das begreife ich; Sie geben hier zum erstenmal der Welt Ihre Seele in Ihrer eignen Persönlichkeit; in den Romanen müssen Sie sie auf so viele Geschöpfe Ihres Geistes vertheilen, und doch ist jedes noch so reich, aber in dem Bazar sind nur Sie selbst, und was uns in allen andern Büchern als Einzelnes, Theilweises entzückt, ist hier ein Ganzes. Zuerst las ich des Dichters Bazar allein, dann las ich es meinem Mann vor, der wie ich tief ergriffen, von Ihrer eigenthümlichen poetischen Auffaßung war; ganz entzückt hat ihn das kleine Bild welches Sie uns in der spanischen Tänzerinn Dolores geben; besonders ansprechend ist auch das kleine Geschichtchen vom Metallschwein, nur bedauerte mein Mann daß der Uebersetzer Metallschwein und nicht Branne Eber sagt, was doch im Deutschen viel poetischer klingt. -

Welch ein besonderes Interesse grade hier in Oldenburg der Theil des Bazar's Griechenland betreffend erregt, können Sie sich denken. Die jugendliche schöne Königinn steht hier im lebhaften Andenken, und das ist durch einen Besuch den sie im Herbst 41 ihren Eltern machte noch wieder aufgefrischt. Auch Rose Bozzoris, Griechenland's Schönheits Genius war mit ihr; was Sie über sie sagen findet hier in vielen Herzen Anklang. Auf mich machte namentlich ihre erste Erscheinung einen überwältigenden Eindruck, sie kam mir vor wie ein schöner gefangener fremder Vogel, man sah freilig die Fesseln nicht, aber sie waren doch da. -

Daß Sie im allgemeinen die griechischen Zustände so günstig beurtheilen, hat uns sehr gefreut, man wagt hier nicht recht daran zu glauben, mich beschlich immer ein ganz wehmüthiges Gefühl, wenn ich die Königinn so heiter, so lebenslustig sah, und dann daran dachte auf welch vulkanischen Boden sie wohnt. - Daß die Königinn mit ihrer liebenswürdigen Anmuth und Grazie auch Ihnen so gefallen überrascht mich nicht, ich sollte glauben es muß jeden so gehn der sie kennen lernt. Jetzt haben Sie ein großes dramatisches Werk vor, der Stoff ist gigantisch, wenn es nur übersetzt wird, damit ich es lesen kann, aber freilich ist es wohl bei dramatischen Sachen noch wichtiger sie in der Ursprache zu lesen; ich kenne in dieser Art nur was Chamisso von Ihnen iibersetzt hat, doch das ist leider wenig. Dabei fällt mir ein kleines Gedicht von Ihnen ein wovon ich einst las daß es in sieben Sprachen übersetzt sei, und das ich garnicht bekommen kann, es ist: »das sterbende Kind«, sollten Sie es mir deutsch, englisch oder französisch schicken können, würden Sie mir eine große Freude machen.

In dem großen bunten Paris kommen Sie wohl nicht viel zum arbeiten, ich denke da wird die Zeit auf tausendfache Weise in Anspruch genommen; schön ist daß Sie die alten Freunde wiederfanden, der Dichter hat im Dichter doch überall eine Heimath. Begierig bin ich was Sie zu der Rachel sagen, die Urtheile über sie sind verschieden, eine talentvolle, begabte Natur ist sie wohl jedenfalls; schreiben Sie mir auch wie Sie ihr Äußeres finden. - Doch nun zum Schluß; meine Mutter läßt Sie auf das allerschönste wiedergrüßen, und trägt mir auf Ihnen zu sagen, daß sie des Dichters Bazar ganz unvergleichlich schön fände. - Mein Mann wiederholt auf das herzlichste seine Versicherungen der Theilnahme und Anhänglichkeit für Sie, er trägt mir die herzlichsten Grüße auf.

Leben Sie wohl lieber Freund, und vergeßen Sie nicht, welch große Freude mir ein Brief von Ihnen macht!

Oldenburg den 8 Aprill. 1843

Lina von Eisendecher.

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