Dato: 29. september 1862
Fra: Friederike Serre, f. Hammerdörfer   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Dresden am 29 st Sptbr 1862

Theurer, verehrter Freund!

Da liegen 2 liebe herrliche Briefe vor mir, von Ihnen, der Eine, aus der Schweitz, der Andere - - aus Valencia!- So haben Sie das erwünschte Ziel erreicht, Sie sind in Spanien, das einzige Land, noch nicht ausgebeutet von Reisenden und in Büchern, werth Ihrer poetischen, kenntnisvo11en Darstellung – und Gott erhalte Sie nur gesund, damit Sie in gewohnter Geistes frische ein Bild aufzeichnen, daß [sic] erquickt und belebt – und uns einführt und vertraut macht mit diesem gelobten, wunderbaren Lande. Gewiß machen Sie auch die Bekanntschaft der Schriftstellerin Cabbalero, welche so volksthümlich schildert, und manche kleine, reizende Erzählung – wie, die Möwe – in die Welt hinaus gesandt. Sie soll ursprünglich eine Hamburgerin sein, die Tochter eines Schriftstellers – und dort verheirathet.

Madame Helmke hat freilich nur die Schattenseite besprochen, schlechte Kost – mühseliges und gefährliches Fortkommen – uncultivirte, baumlose Gegenden – schmutzige Städte, daßelbe Bild brachte sie von der Türkei, Griechen1and, Aegypten zurück. – Wie dem auch sey – dahin zieht mich die Sehnsucht nicht, wo man an Stier Gefechten Vergnügen findet. – In den Zeitungen stand – “eine Wasserhose sey über Barcelona gezogen” – ich berechnete die Zeit, es traf zu Ihrem Aufenthalt! – Nun laßen wir die Schilderung der von Ihnen dort erlebten Überschwemmung! Gestern stand fast Wort für Wort, eine Beschreibung davon im Dresdner Journa1! – Es muß entsetzlich gewesen sein. Wunderbar daß Sie immer zu interessanten Momenten an solche Orte kommen, daß [sic] gibt der Himmel dem Dichter zu Gute! – ./.

Daß ich Ihnen so lange nicht schrieb, machte, daß ich Ihnen nichts Erfreuliches mittheilen konnte! – Nach unserm feuchten, naßen, kalten Aufenthalt 5 Wochen in Wildbad, was Serre wohl geschadet haben mag – erkrankte er gerade an seinem Geburtstage, an Lungen und Rippenfell Entzündung. Wochenlang schwebte er in Todes Gefahr, die Folge davon ist eine große Mattigkeit – Husten, Tag und Nacht – und Athemlosigkeit! Der Arzt sagt, er sey noch nicht über den Berg. Die Pflege, die schlaflosen Nächte, greifen mich an, und ich bin oft todtmüde, eben so, die innere Angst und Sorge. Alles steht in Gottes Hand, wir müssen uns seinen Willen unterwerfen.

Der Tod des D. Julius Hammer, der vor 4 Wochen in Pillnitz am Tyfus starb – hat ihn auch erschüttert, eben so betrauere ich ihn wahrhaft, welcher zu jedem Festtag in Wort oder Schrift ein Zeichen der Liebe und Freundschaft gab. Auch war er eine Stüze der Schillerstiftung. – Serre hat denn die Summe von 450,000 rh. dem Staat übergeben, und ist damit von dieser Bühne abgetreten, doch der 3te Theil, für seine Tiedgestiftung, verbleibt zu seiner und des Comités ersichtlichen Verwendung. Damit hat er sich die Ungnade des Gr. Herzogs zugezogen, der das ganze Capital in Weimar placiert haben wollte – und hat die unangenehmsten Kämpfe mit dem Weimarer Verwaltungsrathe, an deßen Spitze, Gutzkow und Dingelstedt. Wie abscheulich sich Gutzkow dabey zeigt, ist fabelhaft – wie schwach der Gr. Herzog; unbegreiflich! Unsere Regierung die bereits das Geld schon 3 Jahre verwaltet, sicher untergebracht, erkennt eben so wenig einen Grund, daßelbe einem wandelnden Vorort anzuvertrauen. Dieser immer neue Arger und Undank, macht Serre moralisch elend und krank! – Sollten sie nicht froh sein, jährl. einen Unterstützungsfond von 12,000 Taler zu erhalten? Jetzt wollen sie die Hälfte, zu besoldete Ehrenmitglieder verwenden – und wollen nicht die Öffentlichkeit, Alles was so gegen Serres Ansichten und Wünsche lautet! – ./.

Frau von Hann geht einer schweren Zeit entgegen, dem Todes Tage ihres Herrman, am 11.Octbr! – Doch im Ganzen ist sie jetzt gefaßter und ruhiger. – Ich habe die Freude, Frau v. Göthe auf einige Tage hier zu sehen – leider reiset sie schon Morgen nach Wien zurück. Minna sitzt noch immer in Flatow auf den Bräutigam wartend. Die Hohenthal ist sehr glücklich über die Heirath ihrer Nichte mit dem Prinzen von Wales, welcher jetzt in Dresden ist – wir Deutschen sind es nicht. Sigwald ist in Wiesbaden mit der Gräfin Moltke, begleitet sie dann nach Paris. – Sein Bild, der Bettler macht Aufsehen in der Londner Ausstellung. – Die Familie Heincke bleibt diesen Winter in Dresden. Der arme Herr von Lüttichau, wiederhohlt von Schlaganfällen heimgesucht, ist ohne Besinnung, Urtheil, Gedächtniß, vegetirt nur noch.

Ich glaube schwerlich, daß sich Heinckes diesen Winter hier amüsieren werden. Clara ist von Allen geliebt und gern gesehen – doch weniger angenehm findet man die Schwester. Carus läßt ein neues Buch erscheinen – die Lebe[ns]kunst.! Man hat kürzlich in meinem Kiosk eingebrochen und Raden Salehs und Boachjs Bild daraus gestohlen! – Sie werden sich freuen, über eine kleine, bedachte Veranda mit Glasfenstern (ich habe ein Stück Hecke nach dem Graben hinaus durchbrochen), und mit Pflänzchen nur vor dem Haus im Grünen, bedeckt und ohne jede Zugluft zu finden)! – Leider konnte ich es bis jetzt nicht benutzen.

Wie viele seltene Schnecken wird Mr. Collin in Spanien finden wo Kisten hernehmen, sie alle nach der Heimath zu schicken! Sie werden Ihr Sterioskop bereichern! – Margaret und mein armer kranker Mann vor Allem, grüßen Sie recht herzenswarm! – Schon nahen die langen Abende – Ihnen scheint die Sonne heiß, den Winter sind Sie überhoben – und Sie kommen ein Jahr weniger, des Lebens, – reicher 10 Jahre an Genuß und Erfahrung zählen! Behüthe Sie der liebe Gott, nehme Sie in seinen besonderen Schutz.

Mit Treue, und Hingebung in Freundschaft

Ihre Fr. Serre

[i margenen, p.2:] Recht einsam und traurig wird der Winter für mich vergehen! -

[udskrift:] Monsieur le Professeur H..Ch. Andersen Chevalier p.p. à Granada Espagne

Addresse: Signor Joaquin Agrela

restante

[stemplet:] DRESDEN 30 IX 62

Tekst fra: Niels Oxenvad (KB affoto 5315-18)