Dato: 12. maj 1829
Fra: Ludolph Schley   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Mein theurer Freund!

Ich bin zwar sehr beschäftigt, aber meine Freude ist so groß und mein Verlangen so brennend, daß ich alles bey Seite schiebe um mich mit Ihnen eine stunde zu unterhalten; ich weiß ja endlich daß Sie noch leben, daß Sie meiner gedenken, und in Ihrer Anhänglichkeit und Liebe für mich fortfahren; so soll mich denn jetzt nichts abhalten, eine schätzbare Gelegenheit zu benutzen um diese Zeilen an Sie zu befördern. Vorigen Sonntag habe ich dann endlich Ihren Brief vom 24. October & 14. Novb . empfangen, Sie sehen er ist lange unterwegs gewesen und hätte füglich während dieser Zeit eine Reise um die Welt machen können (wenn er nicht unterwegs wie hier der Fall gewesen zu scheint, irgendwo gestrandet wäre) - so viel ist wenigstens gewiß daß er an eine Kanonenkugel gebunden, der Mutter Sonne, seine Aufwartung in dieser Zeit hätte persönlich zu gemacht haben würde. Doch Scherz bey Seite; lassen Sie mich in der trockensten Prosa versichern, wie unendlich froh ich über dies Zeichen Ihres Lebens geworden bin, und wie theilnehmend, und mit inniger Freude, ich den Ausfall Ihres Examens erfahren; so ist denn nun das große Hinterniß gehoben, das Ihrem ersten bedeutungsvolleren Auftreten ins Leben im Wege stand; gefallen sind die Schranken, die Sie beengend einschlossen, und eine schöne von Licht, Wahrheit und Ehre um glänzte Bahn liegt vor Ihnen da; - So schreiten Sie denn fort auf ihr mein theurer, theurer Freund, - fort im raschen Streben, von Ziel zu Ziel, immer nur das eine, höchste, in Augen habend; Es wird zwar nie erreicht im Leben, denn nur in verkörperter Gestalt schlingt Apoll seine Arme um die zum Lorbeer gewordenen Daphne, (die wohl, im eigentlich Sinne der Mythe nach nicht anders ist als das vor dem Menschen schwebende Ideal); aber ihm nahe zu kommen, es in göttlicher Begeisterung zu fühlen, is des Kampfes werth, und der Lohn ist nicht minder schön. - Mir deucht, Andersen, sie sind bestimmt sich der Kränze zu pflücken, / bestimmt dermaleinst einen Platz unter den Koriphaen des nordischen Gesanges einzunehmen; Aber bey allen Ansprüchen die Sie für eine solche Stelle haben können, erkaufen Sie sie nicht zu theuer, bewahren Sie Sich vor allem, die rege Kindlichkeit Ihres Gemüthes, diesen schönsten Theil Ihres intellectuellen Ichs: - folgen Sie nicht dem Marktgeschrei der Menge, opfern Sie nicht das Große, das Erhabene; - dem gemeinen Beyfalle des großen Haufens; verirren Sie Sich nicht in der Wissenschaft der Tage, sonder bleiben Sie Sich getreu, und dem Geiste in Ihnen, - „Nichts gleicht des Menschen Geist, wenn Wahrheit er vom Truge Mit sicherm Auge trennt, und Wahrheitschlüße zieht. doch schneller noch als er, auf seinem Adlerfluge faßt den Unendlichen ein kindliches Gemüth“ -

Ich bin nun überaus begierig von Ihnen weitere Nachrichten zu empfangen theils um zu hören, wie Sie leben, was Sie treiben wie Sie fortschreiten in der Bildung, und wie Ihre näheren Pläne für die Zukunft sind; theils aber auch um zu erfahren, ob meine letzten Briefe vom 6ten December und 24 April, die ich beyde aus Unbekanntschaft mit Ihrem jetzigen Wohnorte nach Ihrem alten Quartier sandte, (fru Schwarz, Vingaardsstræde) auch in Ihre Hände gekommen sind. Erkundigen Sie sich doch danach es wäre mir höchst unlieb, wenn diese Briefe, in einen andern Besitz als in den Ihrigen gelangt wären. Haben Sie sie nicht empfangen so müssen sie noch auf dem dortigen Postamte liegen, und zurückgefordert werden; beruhigen Sie micht ja hierüber, und halten Sie mir denn Ihr Urtheil über meine Ondine, die ich Ihnen am 6t. Decbr. schickte nicht vor, finde ich heute noch Zeit, eins meiner letzten Arbeiten (das Bild am See, eine Legende) abzuschreiben, so werde ich es Ihnen Senden sonst kommt es mit dem nächsten Briefe, sagen Sie mir dann Ihre Meynung darüber. Meine kleine Commissionen hinsichtlich der Ausnahmen der römisch u. griechischen Prosaiker bitte ich nicht zu vergessen, ich habe die vorige wahrscheinlich beym Aufräumen verbrannt; auch fehlt mir noch immer die schwedische Uebersetzung der Sämundar Edda. - der Gelegenheiten / von dort auf hier, giebt es nun genug, sollten Sie indessen dennoch fehlen so bitte ich das für mich bestimmte an Lindberg in Elseneur zu senden. Ich freue mich sehr des Vorhabens der Herausgabe Ihrer Gedichte. in Gemeinschaft mit Bagge; und bitte bey Gyldendahls für mich darauf zu subscribiren; - die Lectüre Ihrer Arbeiten soll mir viel Genuß gewähren. Kömmt Ihnen eine Resension derselben zu, so theilen Sie mir diese ja mit. - Wie gehts mit der Reise nach Amager, und der Vaudeville? Habe herzlich gelacht als er fand, daß Ihr Sinn fürs Uebernaürliche groß sey, für Ihre humoristischen Arbeiten, die doch innerhalb der Grenzen des Natürlichen liegen sollen, muss diese Naturgabe, doch überaus schönes seyn. Oder was meinen Sie? Es ist leider sehr schlimm, daß Ihre Briefe so sehr unregelmäßig gehen, da die Meinigen doch so geengt bey Ihnen ankommen, woran kann das liegen? - einen Ausweg wüßte ich indessen wohl, nämlich den, einen Herrn Christiansen aufzusuchen, der immer interessiert ist wenn ein Schiff von dort hier ankommt. Er ist ein sehr freundlicher guter, gefälliger Mann, und wird gerne Ihre Bestellungen besorgen. Will er es nicht thun, so müssen Sie freylich die Briefe an Lindberg in Elseneur senden, obschon dies mit manchen Unbequemlichkeiten für Sie mag verknüpft seyn. Läßt es sich nicht einrichten, daß Sie Ihre Briefe dort unfrankirt auf die Post geben? - dann wäre freylich jedes Hinderniß gehoben.

In Beziehung auf meine Gesundheit fühle ich den wohlthätigen Einfluß der wärmeren Jahreszeit täglich mehr; ich bin jetzt körperlich wohl, von Berufsgeschäften aber so aufgenommen, daß ich keine Stunden für meine schriftstellerischen Arbeiten gewinne; meine Gudruna ruht ganz, es verliert auch niemand etwas dabey, schwerlich werde ichs zu etwas tüchtigem bringen, und mich daher allmählich darauf beschränken, meine Poesie nur als Wegschwemmungsmittel trüber Stunden anzuwenden. Leben Sie wohl für heute, und schreiben Sie mir bald

Ihr Freund

Ludolph Schley

Liebau d. 12 May 1829 /

Studiosus Philosophiae

Herr H. C. Andersen

Copenhagen

store Kongensjade Nr. 33

3dje Sahl

Empf. & befördert durch

Ihr Ergeb.

L. Lindberg

d. 21. May

Tekst fra: Markus Wagner (KB affoto 5767-70)