Dato: 30. marts 1828
Fra: Ludolph Schley   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Nun ist das Eis wieder geschmolzen an der Küste, und fröhlich und leicht singen Aegars Töchter ihr altes seit Jahrtausenden gelerntes Drepp???. Ihre weißen Flügel spannen die Schweden und froh von einem Ufer zum Andern fliegen unsere Bothschaftstauben getragen von den milden Lüften des Frühlings. Mit dem ersten Schiffe, das über die weiße See (so nennen die lettischen Bauern in ihrer alten Ursprache, das baltische Meer) hinüberlegen würde zum alten Böe???, wollte ich Ihnen Grüße senden; ich halte Wort, wie ich es immer halten werde gegen Sie, lieber Andersen, mein Gefühl für Sie bürgt Ihnen dafür. Wie haben Sie gelebt während des letzten Winters, was getrieben, was geschafft? Ihr letzter Brief war vom 22. Novb. 4 Monate sind also vergangen, seitdem ich von Ihnen hörte, was kann sich in dieser Zeit nicht alles zugetragen und ereignet haben. Vor allen, was haben Sie gefördert in der Kunst, was zu Tage geschafft aus den Schachten Ihres Geistes, mit welchen neuen Erzeugnisses des Genies, die Litteratur Ihres Vaterlandes bereichert? Sie sehen ich mache jetzt schon große Forderungen, aber ich weiß Sie sind der Mann, der Sie zu erfüllen vermag, und zugleich einer, der nicht feiert, und sein Pfund vergräbt, sondern es anzuwenden weiß sich zur Ehre und seinem Lande zum frommen - Ihr letzter Brief, mein theurer Andersen, hat mir viele, viele Freude gemacht nicht weil ich ihn ganz freyspreche von jener weichen sorgenden Gemüthestimmung, die wie ich aus Erfahrung weiß / Erfahrung weiß, nicht fördert, sondern weil ich in jeder Zeile das männliche Streben erblicke, jene Geste des Unmuthes, der früher Sie zu beherrschen schien, kräftig entgegenzutreten. So müssen Sie fortfahren, so mit Riesenschritten vorwärtsschreiten, dem Adler, Andersen, wachsen im Fluge die Schwingen, er fragt nicht, wohin, wenn er die erste Ausflucht wagt, sein eigner Instinct treibt ihn der Sonne entgegen, wollend oder nicht, er muß ihm folgen; - Mit unendlicher Freude las ich in Ihrem Briefe die Stelle, „mit indre Væsen, hvor jeg ellers i den senere Tid at have vundet min Styrke“, Ihr Glaube an Sie, ist mir der beste Beweis, daß Sie jetzt auf dem rechten Wege sind. Der Gott in Ihrer Brust spricht laut, schaffe ich habe dich berufen zum Priester meines Heiligthums, sey des Rufes würdig; darum vorwärts, immer vorwärts, auf dem Sonnenwagen des Gottes, nur halten Sie die sprudelnde Kraft im Zügel, daß Sie nicht wie Phaeton links abweichen von der Bahn und rechts, und in den Eridanus stürzen, statt den Himmel zu erreichen. - Ich gebe Ihnen zu, daß die Kraft sich ausbilden muß, daß ihr erstes Erwachen, wie die Springquelle des Felsens schäumend hervorbricht, und Fessel nicht duldet oder achtet; aber ruhigere Besonnenheit engt ihn später in ein ruhiges Bette, sie setzt ihm keine Schranke, weil er ihrer nicht bedarf, aber sie leitet ihn durch die blühenden Thäler, durch die reichen Fluren, die zu befruchten seine Bestimmung war und vereint ihn endlich mit allen Geschwistern. - - Auch ich sehe Sie so dahinströmen, mein theurer Freund, sehe in dem klaren Christalle Ihres Geistes sich den / Himmel spiegeln und alle Blumen der Nachbarschaft, ohne daß ein Sturm des Lebens, die ruhige Welle emportreibt, und sie trübt mit dem Schlamme oder dem Staube, den er mit sich führt auf seinen Flügeln Sie zweifeln an Ihrem Berufe zum Dichter, lieber Freund, weil Urtheile der Welt und einzelner Menschen über Sie, sich oft widersprechen oder Sie irre machen an Sich. - Darf die Verschiedenheit fremder Urtheile noch öfterer entscheiden ohne irgend eine Competenz, ohne die Eigenthümlich(keit) der Gerichteten gehörig zu würdigen oder zu verstehn, dem fest entschlossenen Herz stutzig machen auf einem Wege, den es sich selbst vorzeichnete; fort mit diesen Gedanken der gemeinen Welt, die immer erst mühselig und ängstlich berührt, was die Leute dazu sagen. Wir sind die Götter in der unsrigen, darum sollen wir folgen dem, wo der eigene Wille uns vorthreibt, und Menschenfurcht dabey nicht kennen, und Menschenurtheil dabey nicht fürchten. Wie, oder meinen Sie vielleicht der Glaube, welcher Sie herausführte, aus der väterlichen Hütte, aus dem kleinen begränzten Raume Ihrer Heimath, in das Gewirre des täglichen Treibens, in den Strudel des menschlichen Lebens, der Sie ein Vertrauen auf Gott und gute Menschen leitete bis zu dem Puncte auf dem Sie stehen in diesem Augenblicke, und weiter leiten wird bis zum Ziele, wenn Sie festhalten an ihn. Dieser Glaube, könne nichts seyn als ein Wahn, ein Wahn, der enden müße, wenn die Wahrheit einst schmerzlich in Ihr Leben trete. Nein, nein das können Sie nicht meinen, so undankbar können Sie nicht seyn; Und doch sind Sie´s wenn Sie sich quälen mit Gedanken, die Ihre Ruhe stören, und Ihren Frieden, denn ohne dise, ist keine rechte dankbarkeit möglich / die lebendige Schulderung, welche Sie mir von der Verschiedenheit Ihres zwischen den Extremen der Freude und des Schmerzes schwankenden Gefühles machen, rührt mich sehr. Sie überrascht mich aber nicht, denn sie ist eine Reminiszenz aus meinem eigenen Leben; auch ich habe eben so gefühlt, ebens so gejubelt, eben so getrauert. Es liegt in der Natuer des Jünglnges die Sucht nach einem ungeheuren Schmerze eben so tief wie die Sucht nach einer That der Unsterblichkeit, denn wie uns diese berührt, so soll uns jene in den Augen der Welt und in unsern eigenen interessant machen. Das und wie gesagt, durch eigene Erfahrung begründet. Oder hätten Sie vielleicht nach genauer, unpartheyischer Prüfung Ihrer selbst, in Ihrem innersten Wesen etwas gefunden, daß Ihnen Anlaß zur Trauer gäbe? Haben Sie vielleicht einen Freund verloren, der zusammengewachsen war mit Ihrem Herzen, oder eine Geliebte, an die Ihre Seele hing mit jedem Gefühle der Erinnerung oder der Hoffnung? Ich kanns nicht glauben, aber wenn dem auch so wäre, wenn Ihnen der Tod oder die Untreue, das Liebste genommen, denken Sie an Spinozas herrliche Worte „Was geht es mich an ob mich Gott liebt, wenn ich ihn nur Liebe!“ Und umfassen Sie das zurückgebliebene mit doppelter Zärtlichkeit. Was Sie besessen haben können Sie außerdem nicht verlieren, was Sie mit Recht das Ihrige nanten bleibt Ihnen immer. Warum denn also trauern? Das Leben liegt vor Ihnen, wie eine lachende Flur der Himmel glänzt drüber im heitersten Blau. Treten Sie nur vorwärts, rasch vorwärts, Sie werden Sich nicht getäuscht finden in Ihren Erwartungen, nicht betrogen in Ihren Hoffnungen. Tragen Sie / Sie hinein in das Leben nur ein für die Freude empfängliches Herz, so wird sich schon ein Frieden von selbst, denn mit dem Blicke, mit dem wir unsre Umgebungen und die Natur betrachten, mit dem, betrachten diese auch uns. Ihre Neuigkeiten, lieber Andersen, vorzüglich diejenigen, die in litterarischer Beziehung irgend- eine Merkwürdigkeit haben, sind mir immer außerordentlich willkommen. Bis hierher gelangen selten solche und ich möchte fast sagen, Libau läge aus der Welt, so wenig neues hört man hier; fahren Sie daher ja fort damit. - Die kleinen Bemerkungen über einige der Walter Scottschen Romane, waren mir vorzüglich interessant, wißen Sie mehr droben zu seinen Arbeiten, so theilen Sie mir Sie doch recht balde mit. Daß Oehlenschlager Waringerne i Mycklegaard Glück auf der Scene gemacht haben, wundert mich sehr, in einer Tragödie verlange ich tragischen Charakter, und von dieser weiß ich im ganzen Stycke keine aufzufinden, ja der Kaiser ist in meinem Auge ein so widerwärtiges Geschöpf daß er allein schon hinreichte, mir das ganze Stück widerwärtig zu machen; die Geschichte muß freylich solche Charaktere bewahren, um wahr zu bleiben, ob die Tragödie sie aber nicht durchaus verbannen muß, das scheint mir wenigstens eben so gewiß. - Ob Sie später Haucks Bekanntschaft gemacht haben, erfahre ich wohl in Ihrem Nächsten. Herzlich freut es mich von Ihnen zu hören daß meine kleinen Gedichte Ihren Beyfall finden; nur will es mir nicht in den Kopf, daß Sie Begegnung den untersten Rang von den eingesendeten Arbeiten anweisen, mir deucht es ist nicht ganz übel. Doch Schalk Amor wird sich schon einmal rechnen , daß Sie seine Tour errathen, und wenn er Sie / einmal tüchtig angeschossen hat, so will ich mich dadurch rühmen, daß ich ein eigenes LiebesLied für Sie schreibe. Ich bin während des Winters recht faul gewesen, und habe wenig geschaffen, doch ist meine WelsungenSage etwas vorgerückt, und ein und anderes Gelegenheits Gedicht fertig geworden. Von den Letzteren sende ich Ihnen ein paar zur Probe. Die Todtenfeyer; ward für ein höchst liebenswürdiges Mädchen geschrieben, das im eigent- lichsten Sinne die Zierde Libaus war. - Das an Herrn v. Hase bedarf keines Commentars. Beyde Gedichte sind Gelegenheitsproducte haben also nur einen höchst ephemeren Werth. Wie gefällt Ihnen die Todtenfeyer? - Herzlichen dank für die Uebersetzung meines Regenbogens; ich werde diese Arbeit bewahren als ein sehr liebes Geschenk, ich weiß nicht warum Sie unzufrieden sind mit der Uebersetzung; ich für meinen Theil habe nichts daran auszusetzen, und wünsche nur, daß ich sie Ihnen bezahlen könnte mit einer ähnlichen. Den Versuch will ich übrigens machen und mit meinem nächsten Ihnen vielleicht die Uebertragung von einem Ihrer comischen Gedichte senden, Vermuthlich bereits die Taucherglocke denn übereinstimmend mit dem Urtheile Ihrer dortigen Umgebung finde auch ich dieses Stück, als das besste was mir von Ihnen zu Gesichte gekommen ist. Es hat Reichthum an Witz & Humor, und der reine Genie des Komischen, meiner Ansicht nach, das Lieblichste, spricht sich lebendig darin aus. Begierig bin ich Ihre Neujahrnacht in der jetzigen Form zu sehen. / versäumen Sie daher nicht mir die Skandinavischen Nyaarsgave, mit erster Gelegenheit über Elseneur und durch Consul Lindberg zu senden bemerken Sie aber, daß Herr Dr. N. H. Husted boende # 23 dog have venstre Side sehr oft directe Gelegenheit hierher hat, und als unser Commissionair, alle Ihre Briefe und Bücher Päckchen besorgt. Wenn Sie daher etwas für mich haben, so fragen Sie erst bey Husted an ehe Sie es fortsenden vielleicht kan er´s directe fortschaffen. Von ihm bitte ich auf einliegende Anweisung Ihre Auslagen wieder zu fordern. Da ich nicht weiß wie viel ich Ihnen schulde, habe ich auch die Summen nicht ausfüllen können. Geben Sie den Betrag nur selbst an, er wird gleich gezahlt. - da hier grade von Geschäften die Rede ist, will ich was sonst noch in dies Fach schlägt hier gleich abmachen. Wenn bey Gyldendahls, die von mir beorderte Afzeliussche Uebersetzung der Sämundar Edda angekommen ist, so nehmen Sie diese in Empfang für mich, und senden Sie mir zu entweder durch Husted oder durch Lindberg. An Gyldendahl folgt einliegend ein offener Brief. Sie werden aus ihm sehen, daß ich von den griechischen Prosaikern die beyden ersten Bände noch zu erhalten habe, bitten Sie sich diese aus, und zugleich diejenigen die später nachgekommen sind. Was Sie bekommen, schicken Sie wohl auf einem oder anderen Wege her, liefern Sie dagegen an Gyldendahls den ersten Band der römischen Prosaiker, den ich doppelt empfangen habe zurück, und vor allem Entschuldigen Sie die viele Mühe, die ich Ihnen durch meinen uneheblichen Commissionen so häufig verursache; ich rechne dabey auf Ihre Freundschaft. / MG_5718 Von Ihren letztgesendeten Arbeiten sprachen dol og bjerg; og Munkens Langsel mir weniger zu. Man sieht es Ihnen zwar bejde an, wie gerne Sie sich hineinarbeiten möchten, in den richtigen Ton dieser Poesie und erkennt mit Dankbarkeit Ihr kräftiges Streben, aber, man sieht zugleich, wie Ihre Saiten nur gezwungen zu diesen Melodien tönen, und findet deutlich den Zwang heraus, den Sie Ihrer Eigenthümlichkeit bey der Abfassung dieser Gedichte anthaten. Das Schönste der Dichtkunst, die Individualité des Sängers, geht dabey verloren; die schönen Worte die glänzenden Bilder sprechen den Geist an, aber lassen das Herz kalt. Im übrigen liegt eine schmerzliche Sehnsucht beyden zum Grunde, und die mag ich nicht am wenigsen in so jugendlichen Gemüthern, wie das Ihrige eines ist; überlisten Sie dieses Gefühl der Mattheit, des nirgends einen Haltungs- grund findenden Umherirrens von schwachen Seelen. Sie werden dies später selbst einsehen, und dann nur mit erröthen Schärfe??? für die Ihrigen erkennen, die so lauten, wie das folgende Ende, von Dal og Bjerg. Stjernen lyste, men ei saa kalt som(fra) den kulsorte Himmel bey dem man auch noch nicht recht weiß, wie ein Epochet der Kälte mit dem der Farbe zu vergleichen ist. Hjertesuk til Maanen, ist ein kleines niedliches Stück, ich finde keinen Grund ihm einen Vorwurf zu machen eine poetische Kleinigkeit bleibt es zwar immer, aber es wird ja auch für nicht mehr gegeben, und behält als solche immer ihren Werth. Ihre Worte an Wulf tönen lieblich und fanden gewiß herzliche Aufnahme denn sie kamen von Herzen. Sehn Sie Andersen, so sollten Sie immer schreiben, so immer fühlen, wie in den IMG_5719 den beyden schönen Zeilen „Tryg vandrede jeg frem i Herrens Navn Og Gud og Danmak tog mig i sin Favn” Paul og Peer verstehe ich nicht, trotz Ihrer Note ist mir die Pointe in diesem Stück fremd geblieben Ich kann es daher weder critisieren noch loben. Ueber Dykker Klokken mehr mit meinem Nächsten ich will versuchen, wie gesagt es zu übersetzen, schwer wirds immer werden, denn ich habe gar kein Genius für das Komische. Gründtwigs Optrin af Kjæmpe livet, habe ich mit einem, sprachlichen Vergnügen gelesen; Welche Kraft, welche Klarheit, welche Milde herrscht darin; ich habe große Lust, das ganze Buch von Anfang bis zu Ende zu über- setzen, hätte ich nur Zeit, aber die ist mir jetzt karg zugemessen, und Berufsgeschäfte füllen Sie ganz. Es geschieht vielleicht später, wenn die Gelegen- heit dazu günstiger ist. Sagen Sie mir indessen wenn Sie´s in Erfahrung bringen können, ob schon eine deutsche Uebersetzung davon erschienen ist; auch erfahre ich wohl zugleich von Ihnen ob Oehlenschlägers Rolf Krage; schon in Druck er- schienen ist. Erkundigen Sie sich doch zugleich, ob von Tegner etwas Neues erschienen ist, mir deucht, ich habe davon reden hören. Ihr Examen ist nun nahe, lieber Andersen Sie sollen denn den Beweis ablegen, das Ihre Zeit gut angewendet ward. Daß sie dem Vetrauen Ihrer Freunde entsprachen, ich zweifle keinen Augenblick daran, daß dem so ist, Sie werden Sich ja gesagt haben, daß die Dankbarkeit eine der ersten Tugenden ist, und diese vor allem jetzt von Ihnen gefordert wird. Außerdem bedingt das Leben irgend- eine gründliche Kenntniß, die zur Basis dienen kann ohne jene, hat das ganze Gebäude keinen Grund, und IMG_5720 das tüchtig gebaute Dach stürzt beym ersten Ansturm zusammen. Ich glaube es gerne, daß einem mit so vieler Phantasie ausgestatteten poetischen Geiste die abstrakten Wissenschaften, der todte, herzlose Buchstabe nicht zusagen können; daß Sie ihn mit Ekel erfüllen müssen, weil Sie ihn herausreißen aus seinen Träumen, die ihm mit ihrem Morgenrothe, Blumenduft und Sonnengolde, daß Herz füllen. Aber hüten Sie sich vor diesen Träumen, sie sind wie die wuchernden Schlingpflanzen, welche die beste Kraft verzehren den Geist lassen sie immer leer. Wie viel herrlicher ist es dagegen, wenn die Grundveste liegt, und der Tempel auf ihr gewölbt ist, schlank, hoch, kräftig und kühn, dann ihn zu schmücken, mit den Liedern der Götter Gestalten unsers innersten Seyns, mit den Blüthen unsers Geistes. - Mein theurer Freund! - es ist etwas sehr schweres in Jugend Jahren ein unfruchtbar Feld urbar zu machen, wenn man glaubt andre Felder zu besitzen, die schon Früchte zu tragen vermögen, aber der früher steinge Ader trägt späte aber sichere Zinsen, und giebt am Ende etwas besseres, wie der oft benutzte Letztere. Das Leben fordert nun einmal Befriedigung seiner Bedürfnisse, selbst mit dem Vorsatze, keine solche haben zu wollen, werden sie sich schon aufdringen, und dann Gewährung verlangen, und um so stürmischer je mehr und öfterer sie früher abgewiesen werden. Darum Andersen, bilden Sie sich aus für das praktische Geschäftsleben betrachten Sie ihre Poesie, als die Verschönerin desselben aber geben Sie ihr immer nur den 2ten Platz. Ein ganz poetisches Leben, ein Leben wie wir uns es träumen in den Idyllen Arcadiens, sagt dem gegenwärtigen Stande der Dinge nicht zu. Ja er würde selbst einem Geiste wie dem Ihrigen auf die Länge nicht genügen können, sondern zum Ekel werden, den Arbeit ist die Würze des Lebens, und ohne Sie kein wirklicher Genuß IMG_5721 desselben vorhanden Am 2ten April ist nun ihr Geburtstag; Es ist eine Möglichkeit, daß dieser Brief bis zu diesem Tage in Ihre Hand kommt; aber diese Möglichkeit ist sehr ge- ringe, und kaum zu erwarten; Ich will es indes er- wünschen, weil ich weiß, daß Ihnen ein Brief von mir dann doppelt willkommen seyn würde. Kömmt er aber später, so müßen Sie schon zu Gute halten, meine Schuld ist es dann nicht. Recht lebhaft will ich mich aber an jenem Tagen mit Ihnen beschäftigen und wenn Ihnen dann bekannte, vertraute Töne im Ohr liegen, so denken Sie, es wären meine Grüße die ich den Winden oder den Wellen zur Bestellung an Sie aufgetragen. Das weite Meer wird uns also am 2ten April nicht trennen; mein Geist ist dann bey Ihnen und feiert eine schöne Stunde. Der Körper muß schon zurück bleiben, Freyas Fjederham ist verloren gegangen am Tage Raknaröks, und nur ihre Rune wiedergefunden auf dem Idavall. In früheren Tagen fror das Meer zu, und von der alten Arcona fuhren die Slaven zu Schlitten nach Novgorod; wäre dem noch heute so, so könnte man wie frittigt [flittigt] Schlittschuhe anlegen und über Eis langen; aber Kapra??? leidet kein Dach mehr über sich, nicht einmal ein Silbernes, obgleich Glitter sowohl wie Sognabäck und Breidablik in Wallhalle ein solches trugen. - Nun es soll uns nicht hindern, was ist Raum und Ort für den Geist des Menschen? Von der Höhe des Chimborasso bis zu den Quellen des Nils; von den Inseln der Südsee bis zu der Küste des alten Bjarmalands, der Weg ist durchflogen in einer Secunde, und alle Wunder die dazwischen liegen sind schneller überschaut, wie die Seiten eines auf- geschlagenen Buches. Doch ist dann die ganze Schöpfung nicht auch ein Buch, oder vielmehr ein Baustein, vollgehaun mit gigantischen Runen, die der Thaten Preis der Vergangenheit / kunden, und den Enkel anspornen zu leben wie die Väter; nur milder, und forscher, denn in den Lehren unsrer Religion sind die Herzen weich geworden und verführlicher; Und Blut ist wie Baldur Ober…??? sagt, nicht mehr das Morgenroth jedes Versöhnungstages, sondern die Liebe ist es. In meinem häuslichen Leben ist gar keine Veränderung vorgefallen, es ist arm an größeren Ereignissen, an einflußreichen Begebenheiten, aber nichts weniger wie arm an Freuden. Meine häusliche Umgebuch ist freundich und angenehm, sie verschönert allein, den sonst sehr einförmigen und mitunter auch wohl recht traurigen Auffenthalt hier; Die Menschen, oder vielmehr ihr findiges Treiben, sprechen mir nicht an; ich habe daher mit keinem von Ihnen ein näheres Verhältniß angeknüpft und lebe meistens mir selbst. - Wohl entbehre ich hierdurch die Erheiterung des vertraulichen Anschließens, den schönen Genuß der Mittheilung wenn sich das Herz dem Herzen öffnet, oder verwandte Geister sich finden, aber ich habe dafür den großen Gewinn, daß nichts ausser mir liegendes, störend eingreift, in die friedliche Welt meiner inneren Behausung, und fühle mich fröhlich dabey und zufrieden. Der Himmel erhalte mir diese Vortheile, ich verlange keine mehr von ihm! Und nun, lieber Andersen, Adieu für diesmal; Sie sollen bald wieder von mir hören. Schreiben Sie mir oft, so oft Ihre Zeit es erlaubt, Ihre Briefe sind mir immer willkommene Besuche; senden Sie mir auch von Ihren Arbeiten was Sie fertig haben, mit Freuden ergötze ich mich an den reichen Blüthen Ihres Geistes. Leben Sie wohl und denken Sie meiner mit Liebe

Ihr trauriger

Ludolph Schley

Besorgen Sie die Einlage an Gyldendahls wo möglich noch heute

Tekst fra: Markus Wagner (KB affoto 5711-22)