Dato: 9. november 1827
Fra: Ludolph Schley   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Mein lieber Andersen! Vor einigen Tagen empfing ich Ihren überaus lieben Brief vom 14. Sept .; da meine Berufsgeschäfte mir jetzt etwas Zeit lassen, und der Winter, der unsere gegenseitigen Mittheilungen sehr erschwert, vor der Thüre ist will ich keine Zeit verlieren, sondern mich noch einmal recht mit Ihnen ausplaudern. Späterhin wenn die Schiffahrt ihr Ende genommen, müßen wir uns schon mit Gedanken aneinander begnügen; nun wollen wir unsere Brieftauben auch lustig über das Meer hinfliegen lassen, und uns einander schriftlich vertrauen, wie das Leben es mit uns, und wir es mit dem Leben treiben. Nun, ich werde schon fertig mit ihm, graus genug geht es zwar zuweilen her, aber den Kopf behält man immer oben, und dann denke ich, wo keine Höhe ist, da ist keine Tiefe und jede Welle, wie hoch sie auch schwellt, muß doch wieder zurück in ihr ebenes Bett. Möge es daher immer ein bischen störrisch gegen unsre Wünsche und ein wenig nachlässig gegen unsre Hoffnungen seyn, wir müssen uns schon darin finden, und ihm wie einem eigensinnigen Kinde, bald gute Worte geben, bald eine reifere Stirne zeigen, dann geht es recht gut, ich verschre Sie, es lebt sich ganz angenehm im / Leben, und recht gute Kameradschaft läßt sich halten mit seinem grauen Erzeuger; der Zeit; Nur mit ihr geschwommen, nicht zurück geblieben, und sich fein oben gehalten, dann schlägt man sich schon durch. Die Wellen gehen zwar zuweilen über den Kopf fort, laß sie gehn; Es ist keine Schande unter den Zusammenschlagenden zu stehen, aber wohl Schande von ihnen fortgerissen zu werden. Darum muß sich der Mensch einwurzeln auf dem Fleck, den er sich zum Standpuncte im Leben bestimmt, aber die Stirne muß er frey und empor tragen, denn von oben kommt das Licht und die Wärme; Wehe uns, wenn wir die nicht mehr sichten, dann würden wir wie der Fels, der auch in den Boden gewurzelt steht, auf dem aber vergebens die Sonne ihre Strahlen verschwendet, nie lockt sie irgendeine Blüthe aus seiner Brust.

Aus dieser wohl etwas sonderbaren Einleitung folgern Sie wenigstens, daß ich körperlich und geistig wohl auf und bey meiner gewöhnlichen guten Laune bin; Sie folgern ganz richtig lieber Andersen und mit ebenso viel Ursache, wie ich aus Ihrem Briefe, daß derselbe Fall bey / bey Ihnen gilt; das giebt mir, warum soll ich es verbergen denn neue Veranlassung zur Freude. Ihr Wohl liegt mir nahe am Herzen, und mit nicht geringerem Schmerze sah ich die aufstrebende Kraft Ihrer Phantasie und Ihres Gemüthes, gefangen in den Banden der häuslichen Verhältnisse, und der Convenirs??? welche Sie in Eleseneur umgeben. Gott lob, dass ist nun anders, ein treuer, bewährter, red- licher Freundeskreis hat Sie aufgenommen, wenn die Wissenschaft Ihrem Verstande Reife giebt, wird ihre Umgebung Ihren Geschmack leiten und Ihr Gefühl ausbilden. Wie glücklich müssen Sie mit diesem Bewußtseyn leben! Sie tragen keine andre Fessel, keine andre Einschränkung als diejenige welche Ihre eigene Vernunft Ihnen auflegt, und die aus diesem Grunde es schon aufshört, Fessel zu seyn; (denn kein freier, fester in sich begründeter Wille; ist nur Sporn zum Vorwärtsschreiten und nie Taun zum Anhalten). Sie genießen in dem Kreise guter, verehrter Menschen das Leben in so ganzer Fülle, wie der Jüngling, wie der Dichter es genießen soll; Sie finden dort Erholung nach jeder Arbeit, Lohn nach jeder Mühe, nach jeder Anstrengung ich wiederhole es, wie glücklich, wie sehr glücklich / müssen Sie sich fühlen. Daß dies nicht immer so bleiben kann, liegt in der Natur des menschlichen Lebens; darum Andersen, bitte ich Sie jetzt so zu genießen, daß dem Genuße späterhin keine Reue folge. Beyde liegen so nahe aneinander, daß noch kein Psychologe ihre Grenze gefunden; und nur das Gefühl Entdeckungen in diesem traurigen Gebiete gemacht hat - Mögen sie Ihnen ewig fremde bleiben, und ihre Jugend wie Ihr Alter diesen Fluch der Menschheit entfernt zu halten wissen; Wie der Rost das Schwerdt, wie der Wurm die Frucht, wie der Moder den Leichnam, so zerfrißt die Reue, die Seele und alle Blüthen und Erzeugnisse derselben. Da verliert sich der Muth empor zur schauen zur Sonne, da verliert sich der Glaube an die Menschheit und an sich. Ihr Himmel voll Morgenroth hüllt sich in eine Sargdecke voll Nacht und Nebel, ihr Frohsinn stirbt, Ihre Hoffnung geht zu Grabe. In dem ganzen, weiten unendlichen Reiche des Wissens bleibt Ihnen nur ein Gedanke, der an die Sünde - Gott der gnädige und uns alle führende, bewahre Sie vor dem Schritte, der zu ihr führt. Aber mein Lieber, lieber Freund, er bewahre Sie auch vor dem großen Gefallen an eine ruhige / gar zu gemächlige Lebensart. Mit dem Namen Ihres Freundes haben Sie mir große Rechte gegeben; Rechte die ich immer werde geltend machen so wie Sie in Anspruch genommen werden könnten. Ich mag es daher nicht verbergen, daß dieser sachteren, ich möchte fast sagen weichlichen Lebensklänge auf die ich zuweilen in Ihren Briefen stoße, dem herrlichen Ihnen von der Natur verliehenen Talent wenig zusagen können, fördern können sie durchaus nicht, das weiß ich aus Erfahrung. Will der Sänger ein wahrer Sänger seyn, so muß er ueber sich greifen können in den Himmel mit freiem leichten Sinne, und die Sterne herabziehen in das richtige Leben. Aber wird er das können, wenn sein Geist nur die Schattenseite des Lebens auffäßt, und diese nur in unsern ??? ausspricht, oder wenn seine Phantasie, oder sein Genius, nennen Sie es wie Sie wollen, statt im Adlerfluge die Bahn zur Sonne zu messen, das heißt sich in That und Licht anzudrücken, sich ins Nebelreich der Gefühle verirrt das Sumpfland der Empfindungen, und dort wo ein Irrlicht aufblitzt, aber auch wie ein solches schwindet, oder wohl gar noch eben darin andre mit sich zieht; denn mein theurer theurer Freund, für ein weiches empfängliches Gemüth ist keine Verletzung so groß wie der Reiz süßer Schwermuth, aber auch keiner so schädlich, verrottet in sich selbst wie die Gebirgspflanzen, die unter zu sorgsamer / Huth, zu oft begossen wird, und nun sich unmöglich in ihrer ganzen Fülle auszubreiten vermag; das aber will der Geist, muß der Geist und vorzüglich der des Sängers, darum soll er auch der Freude angehören denn zum Freuden spenden schuf ihn der Herr, und je mehr er daher hervorzurufen vermag, je mehr er selbst empfindet und genießt; je dankbarer ist er gegen den, der die Gabe des Liedes in seine Seele, und das Vermögen sie auszusprechen auf seine Zunge legte; Ich rede hier nicht von solchen Genüßen, die zerfallen mit sich und der Welt, mit ihren unheiligen Lauten die reine Harfe entweihen, und das bange Stöhnen der Schuld und reuzerrißnen Brust in ihren Klängen wiedertönen lassen, solche Leute sind wie die Proselyten, welche sind unbelastet, aus dem geläuterten Glauben unsrer Confusion, die mit ernst und strenge richtet, in den Schoß der sogenannten allmächtig machenden Kirche treten, und durch frömmetaten Bußübungen sich selbst betrügend, den verlorenen Himmel wieder zugewinnen suchen - Wahren sie daher den Geist vor Verirrungen, die später oder früher mit doppelter Schwere auf Sie selbst zurückfallen. Stärken Sie ihr Gemüth an dem Höchsten was Ihnen das Leben zu bieten vermag am Glauben, nutzen Sie den Augenblick - denken, fühlen und handeln Sie so, daß sie ohne nur zur Vergangenheit zurück und ohne / Furcht der Zukunft entgegenschauen. Halten Sie mir die lange Epistel zu Gute, und schreiben Sie die zu vielen Worte auf die Rechnung meines Gefühles für Sie, und auf die einer sehr traurigen Erfahrung, die in diesem Augenblicke gerade in aller ihrer Lebendigkeit vor mein Gedächtniß tritt. Ich habe einst ein Wesen gekannt, daß von der Natur mit einem eben so gefühlvollen Herzen, mit einem eben so tiefen Gemüthe mit einer eben so reichen Phantasie, mit einem eben so genialen Geiste ausgestattet war, wie Sie, ein Wesen, das zu den größten Hoffnungen berechtigte, aber unterging in grenzlosen geistigen Abirrungen, weil es sich selbst nicht klar zu werden vermochte! Herr v. Brinkmar wandte auf ihn eine seiner Distichen an, um uns zu trösten: „Manchen erhabenen Geist auch zertrümmerten Stürme des Unglücks, schöne Ruinen jedoch, ließen sie immer zurück!“ Aber wir reiten über diesen Ruinen, und auch er weinte mit, denn der ergraute Dichter liebte ihn eben so herzlich wie der ganze Freundeskreis in Stockholm. Ich meines Theils suchte ihn oft zurück zu führen, umsonst, er ehrte keine Fybel, kein Band, keine Schranke, bis er sich selbst unter ihnen begrub. Er ist nun todt, ohne Indiscret zu seyn, kann ich Ihnen daher seinen Namen nennen, es war der gefeierte schwedische Dichter Stangnelius. Da er die Veranlassung zu einer meiner Distichen, über die Pflicht / des Sängers sey, will ich diesen Gegenstand schließen mit dessen Mitteilung es lautet: „Wahr in Gefühlen und rein in Worten und Keusch in Gedanken seinem Berufe getreu, adle er sich und die Welt Spiegle den himmlischen Raum in seinem Gesange, und zwischen Edens verlorene Flur wieder ins Leben zurück“ Ich bin hier auf Gedichte gekommen, lassen sie mich etwas bey diesem Gegenstande verweilen. Mit vielem und recht innigen Vergnügen habe ich die letzten Erzeugnisse Ihrer Feder gelesen, ich danke herzlich dafür, und bitte mich nächstens mit mehrerem zu versorgen. Wie es mir scheint, so bewegt sich Ihr Genie in den Gebieten des Witzes und der Laune am häufigsten und glücklichsten, Sie haben wenigstens von beyden eine unerschöpfliche Quelle. Eifern sie daher fort auf dieser Bahn, wir Entbehren der guten launigen Schriftsteller auf eine peinliche Weise. Ihr Speisezettel hat mich herrlich amüsiert, auch bey der Ode til Seinen habe ich herzlich gelacht. Ueber Ihr erstes Débat bin ich recht froh, ich mag es gerne, wenn Dichter jung öffentlich auftreten, Sie finden dann schon früh Gelegenheit, reife Urtheile zu hören, und Selbstständigkeit zu generieren. Zurück zu Ihren Gedichten; die Elegie an den Hydgotte, ist voll schöner Stellen, nur, mein Freund für ein komisches Gedicht ist es zu voll von ernsten Ge- danken / Gedanken, und für ein Ernstes zu komisch. Die schönen Worte „Tit Alfen kommer paa de hvide Vinger Og Trösten bringer“ lese ich viel lieber: Nytaarsnatten, wie hier, denn in diesem Liede scheinen Sie Trost nach Aussen zu suchen. Aber ist das Recht? Hier nun klagen Sie, aus welchem Grunde? Sie können nichts verlieren, was Sie einmal richtig besaßen; was Sie verlieren können, haben Sie nie besessen; und nun noch eben darin, wo es sich handelt um einen so wichtigen Gegenstand, wie um Ihren Himmel! Welcher Dämon gab Ihnen die Zeile in die Feder: „Herr kan mig min Himmel gjengive.“ oder haben Sie den verloren, es ist nicht möglich! - und da es nicht möglich ist, wie war es möglich diese Zeile niederzuschreiben? Sehen Sie lieber Andersen, das ist eine Verirrung vor der Sie sich hüten müssen, denn Sie macht Ihnen in späteren Jahren nicht allein Kummer, sondern sie macht auch den Leser irre, und er weiß nicht was er von einem so jungen Dichter dencken soll, der den Verlußt seines Himmels beklagt. nur die Leidenschaft der Liebe, oder die Sünde lässt den Himmel verlieren, beyde finden nur bey einem Schwächlinge Raum, oder bey einer Menschenklasse, zu der Sie, Gott sey gelobt, doch nicht gehören. Aber in der Jugend gefallen wir uns in den Ausbrüchen des Haderns gegen das Geschick, und ein Streben nach einem ungeheuren / Schmerze, weil beide unsrer Phantasie zusagen, und uns wohl gar in unseren eigenen Augen, in ein gewisses romantisches Gewand kleiden, ich weiß das leider selbst, denn ich schrieb einmal ein Gedicht „Die Götter Deutschlands“ und glaubte Wunder??? damals was ich hervorgebracht. Wie sehr betrog ich mich! Mit Erröthen, mit tiefem Schamgefühle bin ich später oft von diesen eigenen Ausbrüchen der ungerechtesten Phantasie gestanden, und habe den Augenblick verwünscht, der mir solche Gedancken eingab! Es wird Ihnen, mein Freund, eben so gehen, benutzen Sie daher die fremde Erfahrung, um sich vor ähnlichem Erröthen zu bewahren.

das kleine Gedicht an Ihre Mutter, hat mir sehr gefallen, ich dancke Ihnen für den Genuß, den Sie mir durch selbiges bereiteten; so soll Phantasus, vor dem Sie mit recht sagen, daß er Sie lieb habe, - Sie immer führen. Tillid spricht ebenfalls an, nur möchte ich die 4te Zeile des 1ten Verses - Han er jo Livet o[g] Klippen, des letzten Wortes wegen geändert wünschen. Unser Begriff von Klippe ist unvereinbar mit den Begriffen den wir vom Geber alles Guten haben müssen. Der Anfang von Sinten ist sehr, sehr einladend, die beyden letzten Verse sprechen mir aber weniger an, weil ich die Auswahl der Gedanken vermisse, durch die die ersten Verse sich so sehr auszeichnen. Sie kommen gewiß dahin, dieses Gedicht ein mal umzuarbeiten, ist dies geschehen / so bitte ich um eine Abschrift. Vielleicht benutze ich diesen Winter einen freyen Augen- blick, um es frey deutsch oder schwedisch zu übersetzen Ich werde dann nicht ermangeln, es Ihnen zuzuschicken Aftenen zeigt wieder, wie viel Talent Sie für das komische besitzen, die Parodie im letzten Verse auf sich selbst, ist sehr launig. Will man Parodien schreiben so sollte man nur die eigene Person zum Gegenstande wählen, und in dieser andern zur Lehre oder zur Warnung dienen! Für den rædselfulde Time sage ich Ihnen herzlichen danck, ich habe tüchtig dabey gelacht und mich innig der humoristischen Laune gefreut, die aus jeder Zeile hervorblitzt, Vertrauen Sie dem Weg wohl, den Sie bey Ihren Arbeiten zu gehen haben, er liegt Ihnen klar vorgezeichnet, das sieht man an diesem Gedichte; wäre es mir möglich etwas der Art auf eine würdige Weise weiterzugeben, ich übersetzte es, damit ich meinen Landsleuten den Genuß dieser Lectüre Theilhaftig machen könne, ich aber tauge nicht dazu, etwas komisches zu schreiben, und muß es deshalb beym Wünschen bewenden lassen. Dagegen sollen Sie Ihren Phantasus übersetzt bekommen, vielleicht etwas verändert, doch werden Sie mir dies schon zu Gute halten, Ihre Grundidee soll dabey nicht verloren gehen. Wie Sie es selbst verlangten habe ich nun, strenge Gericht gehalten über Ihre Arbeiten, erzeigen Sie mir nun IMG_5706 dieselbe Gunst, mit den beygehenden meinigen. die beyden erotischen Gedichte, Begegnung und Liebchens Los sind in einer launigen Stunde entstanden. Mein Herz fühlt die dort ausgesprochenen Empfindungen gar nicht, der Regenbogen, und Schmerz & Freude bedürfen keines Commentars. - der Gesang an die Sonne, ist eine Bearbeitung des Tegnerschen Solsangen aber eine ganz freie. Alle sind in der letzten Zeit geschrieben. - - Daß Ihre Ansichten darüber der aufrichtigsten Art seyn müssen, versteht sich von selbst. Es freut mich daß meine Uebertragungen deß det døende Barnet Ihren und den Beyfall Ihrer Freunde fanden; ich habe nichts gegen deren Mittheilung. erscheint Sie, in der Nyaarsgave, so senden Sie mir gefälligst ein Exemplar davon. Für die Zusendung der letzten Oehlenschlägerschen Schauspiele danke ich recht herzlich, die Oper, bey der Musik immer das Beste thut, kann ich nicht beurtheilen, Wäringarne i Mycklagard gefällt mir nur in einzelnen sehr wenigen Stellen; doch überraschte mich das Auftreten von Olof Trygvason auf eine höchst angenhme Art - Mag der Charakter des alten Kaisers historisch seyn, tragisch ist er durchaus nicht, denn er macht einen widrigen Eindruck. Zoe ist ein gemeines verbuhltes Weib, und Harold viel ähnlicher einem schwanckenden Rohre, wie einem nordischen, seiner Pflicht ergebenen Helden. Die Erscheinung im Gefängnisse ist gar traurig, und erinnert nur zu sehr an die IMG_5707 an die mißrathene Scene ähnlicher Art in Egmont. Mit meinem Falle der Wolsungen geht es jetzt sehr langsam vorwärts, es fehlt mir an Muße, oder richtiger Sammlung, auch will mir solche Arbeit nicht übereilt seyn, ich lasse mir daher Zeit, hoffe indessen während des Winters ein gutes Stück vorwärts zu schreiten. Zur Förderung dieser Arbeit ist mir indessen das Buch: Sångar af Norges äldsta skaldar, öfversatte af A. A. Afzelius höchst nothwendig, Es enthält die Sagen der Sämardan Edda in zwey Theilen, Erzeigen Sie mir nun die Gefälligkeit, und fragen sie in der Gyldendahlschen Buchhandlung nach, ob es dort zu haben sey, und wenn nicht, so bestellen Sie es mir doch sogleich, und nehmen es dann nach Ankunft in Empfang. Fragen Sie auch zugleich dort an, ob für mich nicht einige Bändchen der deutschen Herausgabe lateinischer und griechischer Prosaiker, auf die ich im vorigen Jahre pränumerierte, eingegangen sind. Ist dies geschehen, so nehmen Sie diese zu sich, und senden Sie sie mir, nebst der Afzelischen Edda hierher. Der Mann, durch den Sie diesen Brief empfangen heißt N. H. Husted [zugeschrieben: Großkaufmann] und wohnt Nyhavn venstre Side #23. Dieser wird fortan gefällig genug seyn, alles was Sie für mich haben zu befördern, so vermeiden wir den Umweg über Elseneur, und finden eine directere Verbindung. Ihre Auslagen werde ich durch diesen Herrn Kaufmann Husted berichtigen / lassen, sorgen Sie jetzt nur dafür, daß ich die schwedische Eddaübersetzung von Afzelius bald bekomme, ich habe sie sehr nöthig. Senden Sie mir dann auch Gründtwigs: Optrin af Kjæmpe Livets Undergang Ich freue mich wenig, daß meine Briefe Ihnen Vergnügungen machen. es geht mir mit Ihren Briefen eben so. Ich finde Sie wieder, in jedem Fluge, denn Ihr Geist wagt, in jeder Beschreibung Ihrer Häuslichkeit und Ihrer Umgebung, schreiben Sie deshalb oft viel ausführlch, so ausführlich, wie Ihre Zeit es nur erlaubt. Diese gehört indessen zunächst Ihren Studien, geizen Sie daher mit jedem Augenblicke; ins Leben hinein springen, oder über ein paar Jahre fort, kann man nun einmal nicht, denn im Leben giebt es nichts ohne Mühe, wie es keine Erndte ohne Saat giebt, der Muth es zu können ist übrigens natürlich genug, nur muß man recht weiter gehen als bis zum Wünschen und dann verschwinden. Für den freudigen Muth bedarf es übrigens durch duns keiner Wünsche; treue Erfüllung der Pflichten, Arbeit und Thätigkeit geben immer freudigen Muth, selbst dann wenn uns das Leben etwas unfreundlich in die Quere nimmt. Plagen Sie sich nicht mit dem Gedanken wann wir uns wiedersehen, die Zeit wird verrinnen, früher oder später, wird uns dann zeigen ob unsere gegenseitigen Gefühle wahr und lauter gewesen IMG_5709 sind. Bis dahin möge ein Schiff unsser Gedankenverbinder seyn, und unsre Brieftaube sicher über die Ostsee geleiten, und uns gegenseitig erheitern und erfreuen. Züge aus meinem Leben kann ich Ihnen nicht mittheilen, denn mein jetziges ist so alltäglich, daß der eine Tag dam andern folgt ohne das in seinem Treiben irgendeine Veränderung vorfällt. Schauspiele und Litteratoren, deren darstellungen Sie interessieren möchten, giebt es in unsrer kleinen Stadt auch nicht, aber was ich denke und dichte will ich Ihnen redlich mittheilen, und dann freudig hinaus sehen ob nicht bald wieder ein befreundeter Wimpel sich zeigt, der Ihre lieben Erwiederungen bringt. Haugs Arbeiten werden in Deutschland auf eine sehr glänzende Weise angekündigt. Ich bin begierig darüber das Nähere zu erfahren, haben Sie schon seine persönliche Bekanntschaft gemacht? Schreiben Sie mir doch ein Mehreres über ihn. Die politische Frage des Südens, deren Auflösung jetzt so nahe liegt und Griechenlands Wiedergeburt zum Bende??? hat, erfüllt mich jetzt über die Maßen; ich täusche mich gewiß nicht, wenn ich bey Ihnen dieselben Gefühle voraussetze. Mit gespannter Erwartung sehe ich der Zukunft entgegen. es läßt sich nicht läugnen, wir stehen am Vorabend großer / großer Ereignisse, es verhüllt zwar die Zeit noch die Begebenheiten, welche sich Ihnen aufschließen werden, aber der Augenblick der Entscheidung, und große Erfolge sind nahe. Hoffen wir daher alles, von dem neuen Lichte, das sich in der alten Wiege entzündet, und einen schönen Morgen prophezeit, Welch eine Sonne wird es seyn, deren Morgenröthe durch so große Anstrengungen hervorgerufen wird; welch eine Zukunft wird sie bescheinen! Griechenland frey, die Türken vielleicht zurück gedrängt in ihre asiatische Heimath, der christliche Glaube in jenen Ländern gerettet, die Kunst, die Wissenschaft dort wieder gepflegt. O welch eine Zeit wird kommen. Doch ich vergesse, daß 16 Seiten mehr wie hinreichend sind, um auch die längste Geduld zu ermüden, lassen Sie mich daher schließen und Ihnen für diesen Winter Lebewohl sagen, so wie das freigewordene Meer eine nähere Verbindung wieder erlaubt hören Sie von mir; leben Sie wohl bis dahin. Seyn sie froh und glücklich, glücklich in der Liebe Ihrer Freunde, in den Schöpfungen Ihrer Phantasie - Wir kennnen uns nur auf Monate, die in der Rechnung der Ereignisse wie Secunden vorüberfliegen, so lassen Sie denn unsere regen Geister sie auch nur als Secunden betrachten! Denken Sie meiner zuweilen.

Ludolph Schley

Libau 9. Novb 1827

Tekst fra: Markus Wagner (KB affoto 5695-5710)